Wirtschaft

Starmer spricht bei Commonwealth-Treffen über Reparationen | ABC-Z

Insgesamt 27 Stunden und über drei Zwischenlandungen hinweg saß Premierminister Keir Starmer im Flugzeug auf dem Weg nach Samoa. Damit ist er der erste britische Regierungschef, der im Amt einen Inselstaat im pazifischen Ozean besucht hat. In Samoa trafen sich bis Samstag die 56 Länder des Commonwealth, um bei dem Commonwealth Heads of Government Meeting (CHOGM) über globale Herausforderungen und engere Zusammenarbeit zu sprechen. Aber dieses Jahr hatten sich vor allem Vertreter der Karibikinseln und afrikanischer Länder ein besonders streitträchtiges Thema vorgeknöpft: Reparationen wegen des transatlantischen Handels mit Sklaven während des Britischen Empires.

So sagte etwa der Ministerpräsident der Bahamas, Philip Davis, dem Nachrichtenportal Politico noch bevor Starmer seine lange Reise antrat, dass es an der Zeit sei, ein „offenes“ Gespräch über Reparationen zu führen. „Es geht nicht nur um eine Entschuldigung. Es geht nicht um Geld. Es geht um die Wertschätzung und das Verständnis für das, was unsere Vorfahren durchgemacht haben.“

Auch die Ministerpräsidentin von Barbados, Mia Mottley, forderte ein Gespräch über Reparationen. Bei einem Vortrag in London im vergangenen Jahr prangerte sie an, dass „die Verschwörung des Schweigens“ das erlittene Leid ihres Volkes schmälern würde.

Zeit für ein Gespräch über Reparationen

Laut den National Archives war Großbritannien beim Sklavenhandel vom 16. Jahrhundert an einer der erfolgreichsten Akteure. Demzufolge sollen allein zwischen 1640 und 1807 3,1 Millionen Afrikaner in britische Kolonien transportiert worden sein. Nicht alle Länder des heutigen Commonwealth haben allerdings Verbindungen zum Britischen Empire.

Die BBC berichtete vorab, dass ein Entwurf der gemeinsamen Abschlusserklärung des CHOGM in Samoa auf Reparationen anspielte. „Die Staats- und Regierungschefs haben die Forderungen nach Diskussionen über Wiedergutmachungsmaßnahmen in Bezug auf den transatlantischen Handel mit versklavten Afrikanern und die Versklavung von Leibeigenen zur Kenntnis genommen“, soll es darin heißen. Außerdem seien sie sich einig, „dass die Zeit für ein sinnvolles, wahrheitsgemäßes und respektvolles Gespräch gekommen ist“.

Doch die britische Regierung erteilte dem direkt eine Absage. Downing Street ließ mitteilen, dass sich der Premierminister in Samoa nicht entschuldigen werde – und Starmer bekräftigte, dass das Thema Reparationen nicht auf dem Tisch liege. Ohnehin habe sich London schon für den Sklavenhandel entschuldigt. Er zeigte sich zwar dafür offen, über die Geschichte des Britischen Empires bei dem Treffen zu sprechen, nicht aber dafür, das auf die offizielle Agenda zu setzen.

Starmers Blick zum Haushaltsplan

„Ich glaube, wir sollten nach vorne schauen“, so der Premierminister. Selbstverständlich sei Sklaverei etwas Abscheuliches. Aber: „Ich kremple lieber die Ärmel hoch und arbeite mit ihnen an den aktuellen, zukunftsweisenden Herausforderungen, als viel Zeit mit der Vergangenheit zu verbringen.“

Das könnte auch daran liegen, dass immense Summen im Raum stehen. So meint etwa Patrick Robinson, ein ehemaliger Richter am Internationalen Gerichtshof, dass Großbritannien 14 Ländern wegen des Sklavenhandels über 20 Billionen Euro zahlen müsse. Andere Fachleute sprechen von mehreren Hundert Milliarden Euro allein für karibische Staaten.

Von solch einer Summe will das Labour-Kabinett, das seit der Regierungsübernahme von den Konservativen im Juli immer wieder ein Loch im Staatshaushalt beklagt, lieber Abstand halten. Vor allem wenn die Verkündung des Haushaltsplans 2025 nur wenige Tage entfernt ist.

König Charles hat Hoffnungen befördert

Auch König Charles III. als Oberhaupt des Commonwealth hatte immer wieder Hoffnungen auf baldige Gespräche über das Erbe des Britischen Empires befördert. Auf dem letzten CHOGM in Ruanda vor zwei Jahren hatte Charles gesagt, dass das Commonwealth neue Wege finden müsse, „unsere Vergangenheit anzuerkennen“. Er fügte hinzu: „Ganz einfach, dies ist ein Gespräch, dessen Zeit gekommen ist.“

Mit ähnlichen Worten trat er in Kenia im vergangenen Jahr auf. Und in Samoa sagte er am Freitag: „Wir können die herausforderndsten Themen besprechen.“ Er verstehe, dass die schmerzhaftesten Aspekte der Vergangenheit immer noch bei einigen Ländern resonierten. Sie könnten die Vergangenheit nicht ändern, allerdings könne man „kreative Wege“ finden, um mit „anhaltenden Ungerechtigkeiten“ umzugehen.

In Samoa sagte auch Starmer, dass er die „starken Gefühle“ der Staaten mit Blick auf die Wiedergutmachungsfrage verstehe. Er wiederholte aber, dass er nach vorne blicken wolle. Dabei dachte der Premier vor allem an die Auswirkungen des Klimawandels und bessere Handelsbeziehungen.

Der Premier konnte das Gespräch nur aufschieben

So konnte er die treibenden Stimmen für Reparationen aber nicht besänftigen. Denn am Ende blieb der umstrittene Begriff „Wiedergutmachung“ – auf Englisch „reparatory jus­tice“ – im um einige Stunden verspäteten veröffentlichten Abschlusskommuniqué.

Immerhin konnte der Premierminister das Gespräch darüber aber aufschieben; die nächste Gelegenheit sei das UK-Caribbean Forum im kommenden Jahr, so Starmer. Vor seinem Abflug bekräftigte er nochmals, dass die Position in der Downing Street unverändert sei: „Ich möchte klarstellen, dass es in den zwei Tagen, die wir hier waren, bei keiner der Diskussionen um Geld ging.“

Allerdings wurde die britische Generalsekretärin des Commonwealth, Patricia Scotland, in Samoa von Ayorkor Botchwey abgelöst. Botchwey hatte immer wieder Reparationen für den transatlantischen Sklavenhandel und Kolonialismus gefordert. Sie ist die Außenministerin von Ghana – der ehemaligen britischen Kronkolonie Goldküste.

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