Tiktokerin wirbt für die Freiwillige Feuerwehr | ABC-Z
Kronach – Mit 65 Jahren ist bisher Schluss gewesen. Die Rede ist von der Freiwilligen Feuerwehr. Künftig soll die Altersgrenze für aktive Mitglieder bei 67 Jahren liegen. Diese Änderung will Bayerns Innenminister Joachim Herrmann noch in diesem Jahr auf den Weg bringen.
Freiwillige Feuerwehr in Oberbayern: “Tendenziell positiver Trend” bei Nachwuchs
Feuerwehrler mit viel Erfahrung könnten also künftig zwei Jahre länger ausrücken. Stellt sich im Umkehrschluss die Frage: Wie steht es eigentlich um den Nachwuchs bei den Einsatzkräften im Freistaat?
Die AZ hat beim Landesfeuerwehrverband (LFV) nachgefragt. Eine Sprecherin teilt mit: “Bayernweit gibt es keine flächendeckenden Nachwuchs-Probleme bei den Freiwilligen Feuerwehren.” Derzeit seien rund 318.000 Ehrenamtliche aktiv. Für Oberbayern liege analog zu Bayern seit Jahren ein “tendenziell positiver Trend” vor.
Eine Einschränkung macht sie jedoch: “Lokal kann es aber durchaus vereinzelt Probleme geben.” So stand zum Beispiel die Feuerwehr in Herzogau im Landkreis Cham in diesem Frühjahr vor dem Aus, weil sich erst in letzter Minute ein neuer Kommandant fand.
Auch im Örtchen Zusum, der zu Donauwörth gehört, berichtete der aktuelle Kommandant Timo Bablok der AZ in diesem Sommer, dass die Feuerwehr vor einigen Jahren kurz vor der Auflösung gestanden habe. Doch den einzigen Verein im Dorf aufgeben? Das wollten sie nicht und belebten die Feuerwehr neu. Dann rauschte im Juni die Flut nach Zusum ‒ und es zeigte sich einmal mehr, wie (lebens-)wichtig eine Wehr ist.
Häufiger als Auflösungen sind dem Feuerwehrverband zufolge Zusammenlegungen von mehreren Ortsteilfeuerwehren zu einer gemeinsamen. Es gebe aber auch Neugründungen, die Sprecherin nennt etwa die Stadtteilfeuerwehr Augsburg-Lechhausen im Jahr 2019.
Junge Feuerwehrlerin will auf Tiktok für Sichtbarkeit sorgen
Eine junge Vollblut-Feuerwehrlerin ist Sina Setale (23) aus Kronach in Mittelfranken. Die Lehramts-Studentin wollte schon seit dem Kindergarten Feuerwehrfrau werden und ist seit ihrem 14. Lebensjahr aktiv dabei. Also schon fast zehn Jahre. Sie sei “Feuer und Flamme” dafür, wie sie der AZ erzählt.
Sie will den Einsatz für die Allgemeinheit sichtbarer machen. Ihre Social-Media-Reichweite hilft ihr dabei. Bei Instagram und TikTok folgen ihr insgesamt rund 120.000 Menschen. Sie sagt klar: “Ich mache meine Posts nach den Einsätzen, währenddessen habe ich das Handy nicht dabei.
Das gehört sich auch nicht, da Bilder zu machen.” Sie erklärt etwa in einem Video bei Instagram, was man bei einem Einsatz alles in den Uniform-Taschen dabei hat ‒ von Gehörschutz bis Türöffnungsdrähte.
Erst war sie überrascht, dass bei Social Media so viele Nutzer Interesse an der Feuerwehr zeigten. Dann aber erschien es ihr logisch: “Es ist ein Thema, das alle angeht.” Sie glaubt, dass man auf diese Weise auch den Nachwuchs erreichen kann. Aber generell auch andere Menschen, die sich bisher nicht näher damit beschäftigt haben.
“Wir haben ganz normale Jobs und gehen in unserer Freizeit hin ‒ unentgeltlich und 24/7. Das wissen viele gar nicht”, ist ihre Erfahrung.
“Man tut etwas Gutes und fühlt sich dann auch gut dabei.”
Die Liste der Ausbildungen, die Setale bei der Feuerwehr schon absolviert hat, ist lang. Ein paar Beispiele: Chemieschutz, Atemschutz (“damit kann man auch innen sein, wenn es brennt”), Maschinist ‒ “damit ich auch die großen Feuerwehrautos fahren darf”. Die Kronacherin ist seit zwei Jahren auch einer von zwei Jugendwarten.
Am Anfang hätten sie vier Jugendliche gehabt, mittlerweile sind es 17! “Das steigt richtig schön.” Das passt zum Trend, den der Feuerwehrverband beschreibt: Während der Pandemie habe es bei den Kinder- und Jugendfeuerwehren Rückgänge gegeben, mittlerweile verzeichne man wieder “starke Zuwächse”.
Aktuell sind etwa 52.000 Jugendliche in über 5000 Jugendfeuerwehren aktiv, 25.000 Kinder zählen die rund 1500 Kinderfeuerwehren. Der Sprecherin zufolge seien im vergangenen Jahr 173 neue Kinderfeuerwehren gegründet worden. Die AZ will von der 23-jährigen Setale wissen: Warum engagiert sie sich?
“Man tut etwas Gutes und fühlt sich dann auch gut dabei.” Plus: die Gemeinschaft. “Man agiert immer als Team und ist nie alleine.” Auch schätzt sie die Entwicklungsmöglichkeiten: “Man lernt ständig dazu.” Hat sie keine Angst, sich selbst einem Risiko auszusetzen? “Natürlich ist eine gewisse Gefahr da. Man muss in jedem Einsatz auf den Eigenschutz achten.”
Was geht in ihr vor, wenn sie via Funk alarmiert wird? “Die Aufregung ist auf jeden Fall da”, sagt die 23-Jährige. Aber: Man habe seine Routine sowie die klaren Einsatzvorschriften. Das gibt Orientierung und Sicherheit. Und wenn man sich dennoch nicht traut oder es nicht kann, obwohl man sich engagieren möchte? Setale sagt: “Es gibt bei der Feuerwehr so viele Aufgaben. Es gibt für jeden etwas zu tun.” Etwa Vorbereitungen oder im Nachgang aufräumen.
Positiv bleiben ihr Einsätze in Erinnerung, wenn sie Menschen direkt helfen konnten, etwa indem sie die Tür öffneten oder ‒ der Klassiker ‒ “die Katze vom Baum retten”. Sie lacht. Es gibt freilich auch die andere Seite. Wenn Menschen verletzt werden. Oder sterben. Solche Einsätze blieben “einem im Gedächtnis hängen”.
Sie könnten dann mit Seelsorgern oder auch den anderen Kameraden darüber sprechen. “Viel reden hilft, auch mit denen, die mit dabei waren und das Gleiche gesehen haben.” Für sie steht fest: Wenn sie bei einem Alarm ausrücken kann, tut sie es auch. Selbst wenn es drei, vier Mal in einer Nacht sei ‒ etwa bei Unwetter. “Das hatten wir auch schon und es gehört einfach dazu.”
Ehrenamt wird “gerade in den krisenbehafteten Zeiten” wieder attraktiver
Apropos Unwetter. Der Verband glaubt, dass die mehr werdenden Unwetter, Hochwasser und auch Starkregen dazu führen, dass die Feuerwehrarbeit wieder verstärkt wahrgenommen wird. “Das Ehrenamt ermöglicht es Menschen, tatkräftig bei der Bewältigung solcher Katastrophen mitzuwirken statt ,nur zusehen zu müssen’ ‒ das ist sicherlich ein Mitgrund für die aktuell gute Mitgliederentwicklung.”
Auch das Zugehörigkeitsgefühl mache das Ehrenamt “gerade in den krisenbehafteten Zeiten für viele Menschen attraktiv”. Dennoch teilt die Sprecherin mit: “Auch die Freiwilligen Feuerwehren stehen vor der Herausforderung, die der demografische Wandel mit sich bringt: Während die geburtenstarken Jahrgänge aus dem aktiven Dienst ausscheiden, kommen immer weniger junge Menschen nach.”
Diese Forderungen stellt die SPD
Denn: “Um die Zahl der ehrenamtlichen Feuerwehrleute konstant zu halten, müssen also anteilig immer mehr Menschen eines Jahrgangs für dieses Ehrenamt begeistert und gewonnen werden.” Innenminister Herrmann argumentierte bei der geänderten Altersgrenze auch mit dem demografischen Wandel.
Bei der SPD findet der Vorstoß übrigens Zuspruch. Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Christiane Feichtmeier, kann sich sogar vorstellen, die Altersgrenze ganz abzuschaffen. Und: “Wir wollen auch mehr junge Menschen anlocken: Das Eintrittsalter soll von zwölf auf zehn Jahre abgesenkt werden.”