Basketballerin Leonie Fiebichs Sieg gegen die Ungewissheit in New York | ABC-Z
Die Energie, mit der man in den Vereinigten Staaten Basketball vermarktet, wird hauptsächlich aus zwei Brennelementen generiert: aus der Strahlkraft der Starspieler und ihren erstaunlichen Kabinettstückchen; und aus einer schier unendlichen Sammlung aus statistischem Material. Anhand dessen lässt sich nach jedem Spiel, nach jeder Play-off-Serie und nach jeder Saison scheinbar alles erklären.
Spieler analysieren damit ihre Stärken und Schwächen. Ihre Agenten argumentieren mit dem Material bei Vertragsverhandlungen. Trainer lassen sich davon leiten, wenn sie Aufstellungen zusammenpuzzeln. Und Fans liefern sie ein Faktengerüst mit einem objektiven Anstrich für hitzige Debatten.
Fiebichs Weltklassewert
Wirklich konsequent geht deshalb noch lange nicht jeder mit dem Datenwissen um. Es bildet schließlich immer nur die Vergangenheit ab. Und die ist keine Garantie für zukünftige Erfolge. Es zu ignorieren kann allerdings ins Auge gehen. Das jüngste Beispiel dafür lieferte Sandy Brondello, Trainerin von New York Liberty, vor wenigen Tagen in der entscheidenden fünften Begegnung der WNBA-Finalserie gegen die Minnesota Lynx.
Sie hatte offensichtlich keine Spielzüge entworfen, um ihre effektivste Korbschützin mit dem Ball zu füttern: Leonie Fiebich, die in den Play-offs mehr als die Hälfte ihrer Versuche im Korb versenkt und in der Kategorie der Dreier sogar einen Weltklassewert von 52,1 Prozent erreicht hatte. Stattdessen ließ sie die beiden Starspielerinnen Breanna Stewart und Sabrina Ionescu gewähren. Die aber vergaben gegen die zupackende Lynx-Defensive eine Chance nach der anderen.
Die Sache ging trotzdem gut aus – und trotzdem blieb nach dem Titelgewinn eine Frage offen: Weshalb hatte Brondello nicht stärker auf die deutsche Nationalspielerin gesetzt, die sie kurz zuvor noch gelobt hatte. Die 24 Jahre alte Deutsche spiele zwar erst ihre erste Saison in der WNBA, verfüge aber „über die Erfahrung und die Einstellung, um in dieser Atmosphäre zu bestehen“.
Das tat sie, obwohl sie, vor ihrem Wechsel in die USA bei Basket Saragossa zweimal wertvollste Spielerin der spanischen Liga, das Abenteuer Amerika verhalten angegangen war. Die Erfahrungen mit zwei Teams – Los Angeles Sparks und Chicago Sky –, die sich im Rahmen des für den amerikanischen Mannschaftssport typischen Systems die Rechte an ihr gesichert hatten, waren alles andere als positiv gewesen. Erst bei New York Liberty zeichnete sich eine vielversprechende Perspektive ab.
Fiebich entwickelte sich nach der Olympiapause rasch zu einer unverzichtbaren Größe im Team. Eine Jury wählte sie in die Auswahl der besten fünf Neulinge der Saison. Es ist auch ein Sieg über all die Widerstände, die sie erfahren hat: „Hier als Rookie und als Europäerin. Das ist die schlechteste Kombination, die es gibt“, sagte sie nun in einem Podcast von „Magenta Sport“. Die Schiedsrichter seien „auf jeden Fall keine Freunde. Du bekommst die ganze Zeit billige Fouls. Die Trainerin vertraut dir noch nicht so richtig. Es ist einfach so viel ungewiss.“
Zum Auftakt der Finalserie gegen Minnesota deutete sie bereits an, worauf es ankommen würde, um zu gewinnen: die eingespielten Automatismen abrufen, größtmöglichen Einsatzwillen mobilisieren und „gute und schnelle Entscheidungen treffen“. Sie sagte: „Wir wissen, dass wir alles geben müssen.“
Alles – und in der Verlängerung am vergangenen Sonntagabend noch ein bisschen mehr. Da brachte Fiebich ihr Team auf dem Weg zum 67:62-Sieg und zum Titel mit einem Dreier in Führung. Doch während der Siegerehrung hatte man Mühe, das 1,93 Meter große Basketball-Talent in der Traube der Spielerinnen auszumachen. Sie stand in der hintersten Reihe, während ihre Kolleginnen Live-Fernsehinterviews gaben, und genoss still das Erreichte.
Ihre Trainerin Sandy Brondello machte nach dem Erfolg bereits eine Ansage: „Wir sollten es nicht bei einem Titel bewenden lassen. Lasst uns einen zweiten holen.“ Fiebich steht auch im nächsten Jahr bei New York Liberty unter Vertrag und wirkt nicht so, als ob sie sich von der Herausforderung abschrecken lässt. Aber sie macht auch kein Geheimnis daraus, dass gerade ein ganz schönes Durcheinander ist: „Ich check gar nichts, ich weiß gar nicht, was passiert ist die letzten Tage“, sagte sie gegenüber „Magenta Sport“ „Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich morgen gleich wieder spielen muss.“ Sie wäre wohl bereit.