Wirtschaft

Weniger Bürgergeld für Ukrainer? Lindners fragwürdiges Wahlkampf-Getöse | ABC-Z

Der Finanzminister fordert für Flüchtlinge aus der Ukraine eine Senkung des Bürgergelds und einen neuen Rechtsstatus. Das würde Flüchtlinge aus anderen Ländern besserstellen. Die Grundsatzfrage, um die es ihm eigentlich geht, spricht Christian Lindner aber gar nicht aus.

Nach Olaf Scholz mit seinem Industriegipfel schalten nun auch Robert Habeck – Stichwort Deutschlandfonds – und Christian Lindner in den Wahlkampfmodus. Seine Koalitionspartner, sagt der Finanzminister, hätten den Sozialstaat nur ausgebaut, anstatt Arbeitsanreize zu schaffen.

Der „Wirtschaftswoche“ präsentierte Lindner einen Vorschlag, wie im Sozialetat abgespeckt werden soll. Es geht, wie dieser Tage so oft, ums Bürgergeld. Das will Lindner für Ukraine-Flüchtlinge streichen und einen neuen Rechtsstatus einführen.

Moment! Hatte das nicht kürzlich CSU-Chef Alexander Dobrindt gefordert? Egal, wie man inhaltlich zu diesem Plan steht: Er strotzte vor Unwissenheit. Über eine Million Ukrainer hätten ein Asylverfahren nachholen müssen. Wer aber einen positiven Asylbescheid erhält, geht nach geltendem Recht ohnehin ins Bürgergeldsystem über. Ein Vorschlag für den Papierkorb also.

Lindner hingegen schwebt eine Kombination „aus den Leistungen für Asylbewerber und arbeitsmarktpolitischen Instrumenten des Bürgergeldes“ vor. Das ergibt mehr Sinn, ist aber auch nicht zu Ende gedacht. Ukrainer müssten wegen des Krieges kein Asylverfahren durchlaufen, sagt der Vizekanzler. Warum aber müssen es dann beispielsweise Menschen aus Syrien, wo ebenfalls Krieg herrscht?

Apropos: Flüchtlinge mit Aufenthaltstitel haben auch Anspruch auf Bürgergeld. Lindner müsste Ukraine-Flüchtlinge also schlechterstellen als diejenigen aus anderen Ländern. Konkret geht es um knapp hundert Euro weniger im Monat. Spätestens an diesem Punkt hätte er sich einen Rat von Justizminister Marco Buschmann einholen sollen.

Zwischen den Zeilen bedeutet Lindners Vorstoß erstens: Deutschlands Sozialstaat ist eben doch ein Pull-Faktor. Und zweitens: Das Bürgergeld war ein Fehler. Beides wäre ein Eingeständnis des Scheiterns an drei Jahre Regierung mit FDP-Beteiligung.

Im Grunde genommen geht es Lindner, auch wenn er es nicht ausspricht, um Folgendes: Steht Nicht-Deutschen dasselbe zu wie Deutschen und hält das Bürgergeld zu viele Flüchtlinge vom Arbeiten ab?

Man kann diese Grundsatzfragen aufbringen. Aber dann muss man auch so ehrlich sein, sie auszusprechen. Sonst bleibt das Ganze nur Wahlkampf-Getöse. Mehrheitsfähig ist der Vorstoß in der Koalition ohnehin nicht.

Jan Klauth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Arbeitsmarkt-Themen, Bürgergeld, Migration und Sozialpolitik sowie Karriere-Themen.

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