Vorsicht vor den besten Aktien! | ABC-Z
Es vergeht derzeit kaum eine Woche, in der es nicht heißt: Rekord! An den Börsen ist Jubel angesagt, die Kurse steigen immer weiter. Der Dax steht um fast 20 Prozent höher als zu Beginn des Jahres. Nur vereinzelt sind da Momente, in denen es Rücksetzer gibt und Anleger bangen: War’s das nun? Ist die Party vorbei? Zumindest bislang waren es nur kurze Pausen, kleine Schritte zurück, um erneute Anläufe auf den nächsten Rekord zu nehmen.
Nun mag es für so manchen überraschend kommen, dass es inmitten der trüben wirtschaftlichen Stimmung und Krisen an den Börsen weiter gut läuft. Es lohnt sich daher ein genauer Blick. Es sind keineswegs alle Aktien, die derzeit haussieren. Bei der Analyse zeigt sich: Verantwortlich für den Kursanstieg sind ein paar wenige Aktien, die den gesamten Markt so stark nach oben ziehen. Nvidia beispielsweise.
Der Chiphersteller profitiert von dem Hype rund um die Künstliche Intelligenz, die Aktie hat seit Jahresanfang rund 180 Prozent dazugewonnen. An der deutschen Börse ist es vor allem Siemens Energy, das seinen Aktionären Freude bereitet.
Das Spitzenfeld ändert sich
Richtige Gewinneraktien sind das. Viele Anleger, die diese Titel nicht im Portfolio haben, ärgern sich. So mancher dürfte auch überlegen, sie nun noch zu kaufen, in der Hoffnung, von der Rally ein bisschen was abzubekommen. Verlockend ist das allemal. Nur: Ein Garant, dass die Entwicklung in Zukunft so weitergeht, sind die bisherigen Renditen nicht.
Das zeigt eine Analyse des Dienstleisters Schroders. Die Experten haben ausgewertet, wie viele amerikanische Unternehmen zwei Jahre hintereinander im Spitzenfeld an der Börse sind. Das Ergebnis: nur sehr wenige. In manchen Jahren schafft es kein Unternehmen aus dem Vorjahr erneut unter die besten Zehn. Nur drei Firmen, die im Jahr 2021 unter den Top 100 waren, haben das auch im Jahr darauf erreicht. Auf das Hoch folgt nicht selten ein großer Absturz.
Ähnliches zeigt sich auf dem deutschen Aktienmarkt. Gleich drei Titel, die im vergangenen Jahr noch zu den besten Zehn im Dax zählten, rangieren nun am unteren Ende des Index, so eine Analyse der F.A.S. Das sind Infineon, Brenntag und Continental.
Für den Absturz gibt es jeweils verschiedene Gründe. Conti leidet unter der strauchelnden Autoindustrie, Infineons Chips sind aktuell nicht so sehr gefragt, und das Unternehmen muss sparen – und der Chemikalienhändler Brenntag kämpft unter anderem mit hohen Preisen. Alle drei aber eint: Sie erfüllen die Hoffnungen aus dem Vorjahr nicht, die Aktionäre strafen sie dafür ab.
Privatanleger können aus diesen Auswertungen einiges lernen. Erstens seien sie davor gewarnt, ihre eigenen Prognosefähigkeit zu überschätzen. In einer Studie haben Forscher kürzlich herausgefunden, dass eine Mehrheit der Anleger glaubt, aus früheren Kursentwicklungen Hinweise für die Zukunft ableiten zu können. „Tatsächlich gibt es solche Muster in den Preisen von Aktien aber so gut wie nicht“, sagt der Finanzprofessor Andreas Hackethal. Die Studie zeigt auch, dass die Anleger ihre Strategie anpassen, sobald man sie über ihren Irrtum aufklärt.
Die Finanzmarkttheorie besagt, dass Aktienkurse in der Regel schon alle öffentlichen Informationen über das jeweilige Unternehmen widerspiegeln. Diese sogenannte Markteffizienzhypothese geht auf den Ökonomen Eugene Fama zurück.
Zwar wird in der Forschung viel darüber diskutiert, wie stark dieses Phänomen ausgeprägt ist und wie Abweichungen davon zustande kommen. Schließlich lassen sich Anleger immer wieder mal von einer Rallye mitreißen, die rein rational nicht zu begründen ist. An folgendem Grundsatz ändert das aber nichts: Anleger, die glauben, schlauer als alle anderen zu sein, müssen oft enttäuschende Verluste in ihrem Depot hinnehmen.
Daraus ergibt sich die zweite Lehre. Anleger tun gut daran, ihr Portfolio breit zu streuen. Denn auch wenn so manche Gewinneraktie im Folgejahr weniger erfolgreich abschneidet, der gesamte Markt tendiert langfristig nach oben. So finden sich in den meisten Indizes heute zwar nicht mehr alle Aktien, die vor ein paar Jahren darin enthalten waren, das ist ein ständiger Wechsel. Das macht aber nichts. Der Index MSCI World beispielsweise hat durchschnittlich sieben Prozent Rendite pro Jahr eingebracht, zur Freude der Anleger.
Wobei es sich, wenn man ganz streng ist, natürlich auch hier nur um einen Blick in die Vergangenheit handelt. Für die Börse gilt, was auch sonst im Leben hinzunehmen ist. Mit absoluter Sicherheit kann niemand die Zukunft voraussagen.