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Handtaschen als Luxus und Lieblingsaccessoire: Wie alles begann | ABC-Z

Grace Kelly hat sich während der Dreharbeiten von Alfred Hitchcocks „To Catch a Thief“ verliebt. In ein Requisit, das sie auch nach dem Film 1954 nicht mehr hergeben wollte: Eine Tasche mit dem Modellnamen „Sac à Dépêches“ der Luxusmarke Hermès. Weltberühmt wurde die Tasche erst zwei Jahre später, als die gerade frisch verheiratete Fürstin von Monaco mit ihrem Lieblingsaccessoire fotografiert wurde. Der Legende nach habe sie mit der Tasche versucht, ihren wachsenden Babybauch zu kaschieren. Das Bild erschien in Zeitschriften auf der ganzen Welt – und das Modehaus taufte sein Modell fortan „Kelly Bag“.

4000 Dollar und fünf Jahre Wartezeit

Ob Grace Kelly, Jacqueline Kennedy, Jane Birkin oder Lady Diana – sie alle trugen dazu bei, dass sich Taschen in ikonische Luxusgüter verwandeln können, für die Menschen nicht nur bereit sind, horrende Summen zu bezahlen, sondern auch jahrelange Wartezeiten in Kauf nehmen. Ein ausnahmsweise realistisches Bild bietet da eine Folge der Serie „Sex and the City“, in der Samantha Jones, die Unverblümteste des New Yorker Freundinnen-Quartetts, bei Hermès eine heiß begehrte Birkin-Tasche kaufen will. Der Preis: 4000 Dollar und ein Platz auf einer fünfjährigen Warteliste. Auf ihre verblüffte Nachfrage: „For a bag?“, antwortet der Verkäufer nur verächtlich: „It’s not a bag, it’s a Birkin!“

Grace Kelly nutzte sie um ihren Babybauch zu kaschieren: Die „Kelly Bag“ von Hermès.Picture Alliance

Einen umfassenden Einblick in die Kulturgeschichte der Tasche liefert nun die große Ausstellung „Immer dabei: die Tasche“ im Deutschen Ledermuseum in Offenbach. 224 Exponate zeigt die Schau, die meisten von ihnen stammen aus dem Bestand. „Uns ist es ganz wichtig zu betonen, dass es uns nicht ausschließlich um die Handtasche geht, auch nicht um die Damenhandtasche“, sagt Museumsdirektorin Inez Florschütz. Für die Ausstellung hat das Ledermuseum mit dem Studiengang „Accessoire Design“ der Hochschule Pforzheim kooperiert. Zwischen den historischen Objekten könnten die Besucher daher Taschenkreationen von Studenten entdecken.

Vom Beutel zur Handtasche

Begonnen hat die Geschichte der Tasche mit einem Beutel. Ein Tragebehältnis, das seit Urzeiten von Menschen verwendet wird. Schon die Gletschermumie Ötzi aus der Kupferzeit, die 1991 in den Südtiroler Alpen gefunden wurde, habe einen Beutel bei sich getragen, sagt Kuratorin Leonie Wiegand. Die älteste Tasche der Ausstellung ist allerdings ein winziges Säckchen aus Ägypten. Der archäologische Fund diente der Mitführung eines medizinischen Instrumentes und stammt aus der Zeit um 1000 vor Christus.

Dass die Tasche zunächst ein Accessoire für Männer war, zeigt ein Blick ins Mittelalter. Aus Mangel an eingenähten Taschen in Kleidungsstücken trugen Männer Gürteltaschen, um etwa Münzen, Siegel oder Schlüssel zu transportieren. Vor allem Kaufleute und das Bürgertum besaßen solche Taschen, der Adel musste kaum Dinge am Körper mitführen. „Die Entwicklung im Taschendesign hat sehr stark mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun. Die Emanzipation der Frau spielt dabei eine entscheidende Rolle“, sagt Wiegand. Zugespitzt macht die Ausstellung deutlich: Mit zunehmendem Einfluss der Frauen in gesellschaftliche Angelegenheiten wuchs auch die Größe ihrer Handtaschen, da sie schlicht mehr Dinge allein zu tragen hatten.

Die Reisetasche aus dem 19. Jahrhundert war Vorläufermodell der Damenhandtasche.Deutsches Ledermuseum, M. Url

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bedingt durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes, kamen die ersten Reisetaschen in Mode. „Auch mehr Frauen gingen auf Reisen. Das Großgepäck fuhr extra im Waggon, aber man wollte trotzdem Dinge bei sich haben“, erläutert Florschütz. Der Prototyp dafür ist die Reisetasche aus robustem Leder mit sicherem Verschluss. Sie war das Vorläufermodell für die klassische Damenhandtasche, die in Europa seit Beginn des 20. Jahrhunderts für Frauen zum alltäglichen Begleiter wurde.

Kunstvoll gearbeitet: ein MedizinbeutelDeutsches Ledermuseum, M. Url

Die Ausstellung präsentiert einige raffinierte Exemplare aus dem 20. Jahrhundert, etwa eine schlicht anmutende Handtasche, die in ihrem Innern über ein aufwendiges Beleuchtungssystem verfügt. Mit einer eingebauten Lampe werden Spiegel zum Schminken und Pudern erleuchtet. Sogar wenn die Tasche verschlossen ist, wirft sie Licht durch ein integriertes Fenster, damit die Trägerin das Schlüsselloch der Haustür besser finden kann.

Sogar Christian Dior kam nach Offenbach

Die Ausstellung gibt auch einen Einblick in die Ledergeschichte Offenbachs: Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in der Kaiserstraße das Unternehmen Goldpfeil gegründet. Der Traditionshersteller für Lederwaren machte sich in der internationalen Fachwelt schnell einen Namen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist sogar Christian Dior nach Offenbach gekommen, um eine Musterwerkstatt einzurichten. Auch Jil Sander ließ ihre Taschen von Goldpfeil fertigen, weshalb das Museum etliche in der Sammlung hat. Neben der Luxusmarke Comtesse war Goldpfeil Teil des ehemaligen Egana Goldpfeil-Konzerns, der international Filialen betrieb. Nach der Insolvenz des Konzerns im Jahr 2008 erwarb Tchibo Rechte und Lizenzen von Goldpfeil, vermarktet diese seit 2011 jedoch nicht mehr aktiv.

An Luxus spart die Ausstellung im Designkapitel nicht. Hier sind sie zu sehen: Die berühmte „Di Bag“ von Todds, benannt nach Prinzessin Diana, die „Kelly Bag“ und eine zeitgenössische Adaption der „Jackie 1961“ von Gucci. Konterkariert werden die ausgestellten Designertaschen mit Videos von Volkan Yilmaz alias Tanner Leatherstein. In seinen Clips, die hunderttausendfach auf Tiktok und Youtube aufgerufen werden, zerlegt er die Luxusobjekte in ihre Einzelteile, um deren Qualität zu untersuchen – und ob sie ihren Preis wert sind. Seine Schätzung weicht meist erheblich von dem ab, was die Marken für ihre Taschen verlangten.

Am Ende der Ausstellung können die Besucher selbst kreativ werden – indem sie sich mithilfe von Schnittmustern und Werkstoffen einen Einblick in den Herstellungsprozess einer Tasche verschaffen. Oder ihre eigene Wunschtasche designen. Vielleicht die künftige „Kelly Bag“.

■ immer dabei: DIE TASCHE. Bis 10. August 2025, Deutsches Ledermuseum Offenbach, Frankfurter Straße 86, Mittwoch bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr, am zweiten Donnerstag im Monat bis 20 Uhr geöffnet.

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