Wirtschaft

Warum deutsche Unternehmen verstärkt in Polen investieren – Wirtschaft | ABC-Z

Einige der Glas-und Stahltürme im Warschauer Stadtteil Wola kratzen nicht nur an den Wolken, sie verschwinden an diesem Donnerstagmittag darin. In dem geschäftigen Viertel mit den sauberen, breiten Straßen, den glänzenden Fassaden, den gut besuchten Cafés und Geschäften treffen sich für drei Tage Unternehmer aus Polen und Deutschland. Vertreter der Industrie- und Handelskammern aus ganz Europa sind angereist – zur Europakonferenz der Außenhandelskammer. Sie findet alle zwei Jahre statt, diesmal in Polen. Seit 20 Jahren ist Polen, sind die Länder der ganzen Region Mittelosteuropa in der EU, und Polen hat gerade China als wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik überholt, steht auf Platz 4.

„Das hier ist der Ort, an dem alles passiert, genau jetzt in diesem Moment“, ruft Katarzyna Byczkowska zur Eröffnung in den Saal. Byczkowska ist Geschäftsführerin von BASF Polen und Vorsitzende der AHK Polen. Sie lobt den Aufschwung, die Innovationsfähigkeit, den Fleiß in ihrem Land. Wer wisse schon, dass das Stimmerkennungsprogramm für Amazons Assistenten Alexa in Polen entwickelt worden sei? Jetzt wissen es jedenfalls ein paar Dutzend Leute mehr.

Staatssekretäre aus Deutschland und Polen, Ignacy Niemczycki und Udo Philipp, sprechen ebenfalls zur Eröffnung. Digitalisierung, Dekarbonisierung und Diversifikation seien die drei Themen, die beide Länder gemeinsam angehen sollten, sagt Niemczycki. Philipp lobt den wachsenden Wohlstand, der durch die enge Zusammenarbeit entstehe – mehr als 6000 deutsche Unternehmen sind bereits in Polen vertreten, etwa 1800 polnische Firmen in Deutschland. Die Bundesrepublik ist für Polen der Hauptexportpartner. Umgekehrt kommen mehr als 20 Prozent der polnischen Importe aus Deutschland. Nicht nur die Drogeriekette Rossmann ist in den Städten präsent, mit deutschem Gütesiegel wird gern geworben – ob für Waschpulver oder Nagelscheren.

Entsprechend beliebt sind deutsche Firmen als Arbeitgeber. Zum Beispiel Bosch. Der Konzern ist seit Jahren an mehreren Standorten in Polen aktiv, fertigt und entwickelt hier Bremssysteme, Motoren und Haushaltsgeräte. Außerdem entsteht gerade ein Wärmepumpenwerk in Schlesien. Dabei profitieren gerade die großen Betriebe auch von den vorhandenen Fachkräften, die Lage ist in Polen besser als in Deutschland – noch. Die Konkurrenz um gut ausgebildete Mitarbeiter hat auch in Polen zugenommen. Große Firmen wie Bosch können zudem selbst investieren, um ihre Leute auszubilden und zu spezialisieren, suchen die enge Zusammenarbeit mit Hochschulen und Wissenschaft.

Während auf polnischer Seite zu hören ist, dass Polen Lohngleichheit mit Deutschland anstrebe, sind es aber gerade die niedrigeren Lohnkosten, die einen der Standortvorteile ausmachen.

Die polnische Wirtschaft wächst und ist verhältnismäßig gut durch Pandemie und die durch den russischen Angriff auf die Ukraine verursachte Krise gekommen. Andererseits liege Polen im Vergleich zu Deutschland beim Stand der Digitalisierung noch deutlich zurück, sagt Renata Kabas-Komorniczak, geschäftsführende Partnerin der Wirtschaftsberater Rödl & Partner. Führend in der Region beim Thema Digitalisierung sei Tschechien. Dafür sei Polen – wie auch Tschechien – beim Thema Cyber-Sicherheit stark. Deutschland gehöre eher zu den Ländern, die durch Cyber-Attacken am meisten Geld verlieren.

Etwas kontroverser wird es bei Fragen der täglichen Zusammenarbeit. Die Deutschen müssten sich zunächst vom Bild der Polen als billige Arbeitskräfte verabschieden und davon, dass in Polen einfach nur produziert werde, so ist die übereinstimmende Meinung von Ökonomen der Warsaw School of Economics.

Die Grenzkontrollen werden kontrovers diskutiert

Neben dem Lieferkettengesetz, das teils als überflüssige Bürokratie wahrgenommen wird, welche die Sicherheit der Lieferketten gefährdet, verärgern auch die Grenzkontrollen einige Spediteure. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der in dieser Woche in Warschau und Prag unterwegs war und auch die Europakonferenz besuchte, bekräftigte, dass er zu den Kontrollen stehe. Der polnische Premier Donald Tusk hatte verärgert auf die entsprechende Ankündigung von SPD-Innenministerin Nancy Faeser reagiert, er wäre gern vorher konsultiert worden.

Der SZ sagte Kretschmer, Grenzkontrollen seien zwar „keine Dauerlösung“, aber „derzeit nötig“. „Wir geben uns viel Mühe, was die Administration angeht“, sagte er, damit die Belastung für Warenaustausch und Pendler gering bleibe. Das sei alles problemlos möglich, sagen Vertreter der bayerischen IHK in Warschau, mit den Österreichern gebe es darüber keinen Ärger.

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