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1860-Fans trauern um Kult-Wirtin | Abendzeitung München | ABC-Z

Giesing – Münchens kleinster Biergarten, Künstler- und Fußballkneipe, Straßenparty mit Hunderten von Leuten, ein Montagabend mit zwei Nachbarn im sonst leeren Stüberl: Das Café Schau ma moi an der Tegernseer Landstraße kann sehr vieles sein.

“Giesing is not Munich”, stand mal auf einem Aufkleber gleich an der Eingangstür. Da ist schon was dran. Auf der anderen Seite: Irgendwie ist Giesing hier noch so sehr München wie kaum noch woanders. Ganz weit weg von Schwabing oder Bogenhausen, von Monokulturen reicher Zugezogener.

Ein Aufkleber am Schau ma moi betont die Einzigartigkeit Giesings.
© Archiv/Felix Müller
Ein Aufkleber am Schau ma moi betont die Einzigartigkeit Giesings.

von Archiv/Felix Müller

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Das ist kein Zufall, natürlich nicht. Der Laden steht am Rand des Trikont-Areals. Der kleine Musikverlag sitzt im Hinterhaus, als die Boazn im ehemaligen Trambahnhäusl vorne an der Tela in den 1990ern schließen musste, hatte der damalige Trikont-Chef Achim Bergmann die Idee, hier eine Café-Bar nach italienischem Vorbild machen zu lassen.

Gabi Benkert 2018 zu Hause in Giesing in ihrem Schau ma moi.
© Archiv/Daniel von Loeper
Gabi Benkert 2018 zu Hause in Giesing in ihrem Schau ma moi.

von Archiv/Daniel von Loeper

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Wirtin wurde die gelernte Erzieherin Gabi Benkert, die eigentlich gar keine Lust mehr auf Gastronomie hatte. “Wenn es nicht so klein gewesen wäre und wenn es nicht in Giesing gewesen wäre, dann hätte ich es nicht gemacht”, sagte sie 2018 in der sehenswerten Giesing-Doku “Von Menschen und Löwen” im Bayerischen Fernsehen. Der Name des Stüberls übrigens entstand durch einen Zufall. Kurz vor der Eröffnung hatte sie immer noch nichts Passendes gefunden. Als sie wieder mal gefragt wurde, wie sie sich denn nun entschieden habe, sagte sie: “Schau ma moi”. Der Name war geboren.

“Die Gscheidn und die Bledn”: Hier sollten alle willkommen sein 

Draußen der winzige Biergarten, drinnen ein einziger Stehtisch, ein paar Hocker an der Theke, ein zweiter Tresen an den Fenstern raus zur Tegernseer Landstraße. Dazu Konzerte draußen und drinnen – “wenn es zu voll wird, machen wir einfach die Fenster auf und die Leute können auch von draußen zuschauen”, so sagte es die Wirtin.

“Für mich war immer klar, ich will, dass die Oidn und die Jungen kommen, die Gscheidn und die Bledn, die Schwarzen und die Weißen”, so sagte sie es 2018. Nur Rassisten, die werfe sie raus. Wer hingegen immer kam, waren die Trikont-Künstler, alternative Giesinger – und die Löwenfans.

Spieltage sind Feiertage vor dem Schau ma moi: So sieht es hier dann (fast) den ganzen Tag aus.
© Archiv/Anne Wild
Spieltage sind Feiertage vor dem Schau ma moi: So sieht es hier dann (fast) den ganzen Tag aus.

von Archiv/Anne Wild

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Das Elitäre, das manch alternativ-künstlerischer Laden gerade in dieser Stadt haben mag, war Benkert und ihrem Schau ma moi aber schon immer fremd. Es hätte auch überhaupt nicht gepasst zu dieser Frau, die so eine herzliche Fröhlichkeit ausstrahlte, ganz selbstverständlich noch Bairisch sprach – und in diesem Viertel, dieser Nachbarschaft von klein auf verwurzelt war. “Ich bin hier geboren, ich habe immer wieder versucht wegzukommen, aber es zieht mich einfach immer wieder her, des Giasing”, so hat sie es selbst gesagt.

“Ich habe die besten Fans”, sagte die Wirtin über ihre Spieltags-Gäste

2022 konnte “die Gabi”, wie hier einfach alle sagten, das 25-jährige Jubiläum feiern. Auch dank der Löwenfans. Für Benkert war es ein Segen, dass die Sechzger seit 2017 wieder daheim im Viertel spielen. Sehr, sehr viele Löwen haben das Ritual, von der U-Bahn kommend ihre Spieltage mit einer Halben im, am oder vor dem Schau ma moi zu beginnen. “Ich habe die besten Fans”, so hat sie es selbst gesagt. Ärger gab es hier eigentlich nie. “Löwen aus Niederbayern und Neuperlach, Studentinnen und Stammgäste, Handwerker und alte Hippies, Senioren und Siebzehnjährige”, so hat es die AZ zum 25-Jährigen beschrieben. Hier gelänge, was in dieser reichen Stadt immer seltener der Fall sei – dass ganz verschiedene Menschen zusammen eine gute Zeit haben.

Benkert hat diese These gefreut. So stellte sie sich ihr Viertel, ihre Kneipe vor, die über und über mit politischen und Fußball-Stickern verschönert ist. Am Sechzgerstadion, da hat sie schon als Kind gespielt, es war ihr Abenteuerspielplatz.

In der BR-Dokumentation gibt es eine Szene während eines Spiels im Grünwalder Stadion. Da ist ihre Kneipe natürlich leer. Doch Benkert macht Semmelknödel in der Küche und kann dabei die Schreie aus dem Stadion durchs Fenster hören. Sie sieht sehr glücklich aus.

Die letzten Jahre hat sie die Arbeit hinterm Tresen am Abend eher den jüngeren Leuten überlassen. Aber ganz aufhören, das kam nicht infrage. 2022 hat sie der AZ gesagt, dass sie noch lange weitermachen will, “mindestens zehn Jahre!”.

Ein Schau ma moi ohne Benkert – eigentlich unvorstellbar. Doch in diesen Tagen ist Benkert nach schwerer Krankheit gestorben. “„Als ich sie das letzte Mal besucht habe, hat sie mir gesagt, sie habe doch eigentlich ein glückliches Leben gehabt“,  sagt Trikont-Chefin Eva Mair-Holmes. Dem Vernehmen nach wird ihr Sohn das Schau ma moi weiterführen. Giesing behält einen besonderen Ort. Das Lebenswerk von Gabi Benkert.

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Friedrich Ani.
© IMAGO/Lindenthaler
Friedrich Ani.

von IMAGO/Lindenthaler

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Viele Jahre hat er hier viele, viele Stunden verbracht: Der Krimi-Autor Friedrich Ani. In der AZ verneigt er sich zum Abschied vor Gabi Benkert.

“Sie war eine Schwellenwächterin für die Nachtschwärmer Giesings, und für die Nachtschwärmerinnen erst recht. Frauen, Männer, Menschen aller Couleur fanden im Café Schau ma moi, dem ehemaligen Trambahnhäuschen, eine Herberge wie keine zweite.

Gabi war eine Wirtin vom Herzen her, das Licht ihres Lokals fiel weit weit weit über die Tegernseer Landstraße hinaus. Jetzt ist Gabi fort für immer. Und das ist unbegreiflich, ähnlich wie die Tatsache, dass es ihr gelungen war, aus einem handtellergroßen Raum einen Weltraum zu zaubern, in dem ihre Gäste scheinbar schwerelos, Körper an Körper, umeinander schwebten, beflügelt von zeitloser Musik und erfüllt von beseelenden Gesprächen bei wundersam berauschenden Getränken.

Alles dunkel und still von heut auf morgen. Ach, Gabi, für Wirtinnen wie dich darf’s doch im Leben gar keine Sperrstunde geben!”

 

 

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