Politik

EU-Staaten beschließen umstrittenes Naturschutzgesetz | Abendzeitung München | ABC-Z

Luxemburg

Die EU-Staaten haben den Weg für ein stark umstrittenes Naturschutzgesetz freigemacht. Demnach sollen künftig in der Europäischen Union mehr Bäume gepflanzt sowie Moore und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Eine ausreichende Mehrheit von EU-Staaten stimmte dem vor allem von Landwirten und Konservativen kritisierten Vorhaben in Luxemburg zu, wie die derzeitige belgische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte.

Über das Vorhaben wurde lange und intensiv gestritten. Die EU-Kommission hatte das sogenannte Renaturierungsgesetz vor fast genau zwei Jahren vorgeschlagen. Nach offiziellen Angaben sind rund 80 Prozent der Lebensräume in der Europäischen Union in einem schlechten Zustand. Zudem sind demnach 10 Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70 Prozent der Böden in einer schlechten Verfassung.

Gesetz in abgeschwächter Form

Während Umweltschützer, zahlreiche Wissenschaftler und Unternehmen das Gesetz befürworteten, gab es großen Widerstand vor allem von Christdemokraten und Bauernverbänden. Die Kritiker befürchten zu große Einschnitte für Landwirte und damit Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion in der EU. Um auf diese Bedenken einzugehen, war das Gesetz im Verhandlungsprozess deutlich abgeschwächt worden.

Eigentlich hatten sich die EU-Länder und das EU-Parlament schon im November auf einen Kompromiss verständigt. Diesem zufolge sollen Landwirte künftig etwa nicht verpflichtet sein, einen bestimmten Prozentsatz ihres Landes für umweltfreundliche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, was Bauern befürchtet hatten. Die Annahme durch beide Co-Gesetzgeber, die EU-Staaten und das Parlament, ist in der Regel Formsache. Das EU-Parlament hatte in Straßburg dem Gesetz auch final zugestimmt. Allerdings ist eine Reihe von Ländern bislang gegen das Vorhaben.

Österreichs Kanzler: Klima-Ministerin nicht bevollmächtigt

Die Mehrheit nun kam durch einen Kurswechsel Österreichs zustande. Die Klimaschutz- und Umweltministerin der Alpenrepublik, Leonore Gewessler (Grüne), stimmte dem Gesetz zu und stellte sich damit gegen ihren konservativen Koalitionspartner, die Kanzlerpartei ÖVP. Österreichs Kanzler Karl Nehammer ist der Meinung, das Vorgehen seiner Ministerin sei rechtswidrig. Bei Zustimmung gebe es eine Nichtigkeitsklage beim EuGH, hatte er im Vorfeld angekündigt. Gewessler hatte mitgeteilt, ihre Zustimmung sei juristisch abgesichert.

Mit der Zustimmung der EU-Staaten ist das Gesetz eigentlich beschlossen. Sollten sich mit Blick auf das Vorgehen Österreichs keine juristischen Fallstricke mehr entwickeln, müsste der Rechtstext nur noch in die offiziellen EU-Amtssprachen übersetzt und im Amtsblatt veröffentlicht werden, damit die Vorgaben in Kraft treten können.

Umweltministerin Lemke begrüßt neues EU-Naturschutzgesetz

In einer ersten Reaktion sprach die Verhandlungsführerin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, die deutsche Abgeordnete Jutta Paulus, von einem Erfolg im Kampf gegen das Artensterben und die Folgen der Klimakrise. Ohne Artenvielfalt gebe es keine fruchtbaren Böden, keine saubere Luft und kein trinkbares Wasser, so Paulus.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke bezeichnet das Gesetz als entscheidenden Schritt für eine intakte Natur in Europa. “Ich begrüße sehr, dass die EU-Mitgliedstaaten heute die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur beschlossen haben”, teilte die Grünen-Politikerin nach der Entscheidung in Luxemburg zudem mit.

Mit dem Gesetz sei eine ausgewogene Balance aller Interessen hergestellt worden. Die EU-Staaten hätten Verantwortung für die Natur in Europa und das Bewahren der Schöpfung bewiesen. “Eine intakte Natur ist das Netz, das uns alle trägt”, so Lemke.

Bauernverband kritisiert Votum

Der Deutsche Bauernverband kritisiert hingegen die Zustimmung der EU-Staaten scharf. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte, damit ignorierten die Umweltminister das Ergebnis der Europawahl. “Man kann uns Bauern nicht par ordre du mufti vorschreiben, wie wir zu wirtschaften haben. Das löst Widerstände aus.” Wer glaube, mit Ordnungsrecht der Natur zu helfen, erreiche das Gegenteil. Naturschutz gehe nur mit den Bauern.

Der Deutsche Naturschutzring als Dachverband von knapp 100 Organisationen sprach von einem historischen Tag und einem wichtigen Signal an die ganze Welt. Die Sicherung der Lebensgrundlagen und die Einhaltung von Verpflichtungen aus dem Biodiversitätsabkommen der Vereinten Nationen seien trotz einer starken rechtspopulistischen Kampagne nicht verhandelbar. Brennende und absterbende Wälder, zunehmende Hochwasserereignisse, Wassernotstände in Südeuropa und das Voranschreiten der Klimakrise zeigten, dass jetzt gehandelt werden müsse.


Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de

Back to top button