Was Grüne aus dem Landkreis Ebersberg zum Rücktritt des Bundesvorstands sagen – Ebersberg | ABC-Z
Ganz aus heiterem Himmel ist zumindest für Christoph Lochmüller die Ankündigung nicht gekommen. Gerade zwei Tage zuvor hatte der Hohenlindener, der einer der Sprecher des Grünen-Kreisverbands im Landkreis Ebersberg ist, den Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour noch in einer Videoschalte erlebt. „Er hat nichts konkret angekündigt – nur, dass etwas passieren wird“, erinnert sich Lochmüller. Was Nouripour damit meinte, war dann am Mittwoch klar: Der gesamte Bundesvorstand der Grünen ist zurückgetreten, um nach den miserablen Wahlergebnissen der vergangenen Monate einen Weg für einen Neuanfang freizumachen.
Ein Neuanfang, der – da sind sich die befragten Grünen-Politiker aus dem Landkreis einig – der Partei guttun wird. „Es ist ein guter Zeitpunkt, um zu schauen, wie man vor der Bundestagswahl eine neue Dynamik in Gang setzen kann“, sagt etwa Kreisrat Thomas von Sarnowski, bis Januar Landesvorsitzender der Grünen in Bayern. „Das Timing ist gut“, stimmt auch Christoph Lochmüller zu – nicht nur angesichts der Bundestagswahl im kommenden Jahr, sondern auch deshalb, weil sich die Grünen bis zum Bundesparteitag im November schon einmal sortieren und in Ruhe nach einer neuen Führungsriege suchen können. „Wir haben bisher von Wahl zu Wahl gedacht, wir können das Ruder rumreißen – aber es ist eben nicht passiert.“ Daher komme der Schritt nun zur richtigen Zeit.
Ein Satz fällt bei allen Gesprächen mit den Grünen-Vertretern aus dem Landkreis: „Ich habe großen Respekt vor dem Schritt“ – das sagen fast wörtlich sowohl Lochmüller als auch von Sarnoswki und Waltraud Gruber, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Kreistag. „Dass nun der gesamte Parteivorstand zurücktritt, ist ein selbstloses Zeichen. Es zeigt, dass der Vorstand nicht an seinen Stühlen klebt und durch seinen Rücktritt einen Neustart ermöglicht“, unterstreicht sie. Die Verantwortlichen hätten persönliche Interessen und Planungen zum Wohle der Partei zurückgestellt, „das war sicher nicht einfach“, sagt Lochmüller.
Lob gibt es auch von der Grünen Jugend: „Dieser Rücktritt war für uns weder überraschend noch sonnenklar, ist aber nun Fakt. Fakt ist auch: Ricarda, Omid und der restliche Bundesvorstand haben gute Arbeit geleistet und die Partei in einer schweren Zeit geführt. Vor allem haben sie Größe und Verantwortungsgefühl bewiesen“, unterstreicht Arian Kunze, einer der Sprecher.
Wer soll nun Omid Nouripour, Ricarda Lang und den übrigen Mitgliedern des Parteivorstands nachfolgen? Ein klarer Wunschkandidat oder eine -kandidatin hat sich bei den befragten Ebersberger Grünen noch nicht herauskristallisiert. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, wird als mögliche Bewerberin gehandelt – sollte sie ihren Hut in den Ring werfen, würde das jedenfalls Thomas von Sarnowski begrüßen: „Sie hat den nötigen Sachverstand und ist durchsetzungsstark.“ Und auch Lochmüller sagt: „Sie ist eine sehr tolle Politikerin und eine, die anpacken kann.“
Ohnehin kann es ja nicht nur um Personalien gehen, auch diese Überzeugung verbindet alle Befragten. „Daneben braucht es auch eine Schärfung unseres inhaltlichen Profils. Ricarda hat immer betont, wie wichtig ein soziales Profil bei den Grünen ist. Heute mehr denn je braucht es eine Partei, die echte Lösungen für Probleme wie zum Beispiel die zu hohen Wohnkosten, Klimakrise und die Spaltung unserer Gesellschaft präsentiert. Wir hoffen, dass die Grünen diesen Geist gerade in der aktuellen Zeit wiederfinden, bewahren und noch stärker in den Vordergrund stellen“, unterstreicht Arian Kunze. „Wir müssen wieder mehr Hoffnung und Mut verbreiten und uns vor allem von den Parteien abheben, die nur Polterei, Pessimismus und Schuldzuweisungen, aber keine konstruktiven Lösungen im Angebot haben.“
Winfried Kretschmann ist ein gutes Vorbild, findet Christoph Lochmüller
„Wir sollten jetzt zuhören und aus dem Gehörten unsere Schlüsse ziehen“, sagt Christoph Lochmüller. Lernen könne man dabei von Politikern wie Winfried Kretschmann, dem baden-württembergischen Grünen-Ministerpräsidenten, dem dies bestens gelinge, und der parteiübergreifend Respekt ernte. Ohne freilich die Ziele und Grundsätze der Partei aufzugeben: „Die Welt dreht sich immer schneller, wir sind eine progressive Partei und wollen nach vorne schauen.“ So sieht es auch Waltraud Gruber: Gerade jetzt sei es an der Zeit, demokratische Grundwerte zu verteidigen und sich politisch für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Klimaschutz starkzumachen. „Wir brauchen eine zukunftsorientierte fortschrittliche Entwicklung für dieses Land und keine ewig-gestrigen Rückschritte wie Verbrennermotor, Atomkraft etc.“, betont sie.
Enttäuschung über die Grünen spürt man in den Gesprächen mit den Ebersberger Vertretern jedenfalls nicht – Christoph Lochmüller möchte sich in Zukunft sogar noch stärker für die Partei einbringen. Er hofft, dass er sich am 12. Oktober gegen seine Mitbewerberin Lisa Schießer durchsetzen kann und ihn die Erdinger und Ebersberger Delegierten zum Bundestagskandidaten nominieren. „Jetzt erst recht“, sagt er, „wenn einem der Wind entgegenbläst, hilft es nichts, sich wegzuducken.“