Reichen weit wie nie: Raketen aus dem Libanon schlagen in Israel ein | ABC-Z
Reichen weit wie nie
Raketen aus dem Libanon schlagen in Israel ein
22.09.2024, 06:58 Uhr
Israels Armee und die Hisbollah-Miliz im Libanon liefern sich in der Nacht schwere Gefechte. Dutzende Raketen fliegen auf den israelischen Norden – so weit wie noch nie. In der Nähe von Haifa werden zwei Häuser getroffen und Menschen verletzt. US-Bürger sollen den Libanon verlassen.
Bei heftigem Raketenbeschuss aus dem Libanon hat es nach israelischen Medienberichten Einschläge im Norden Israels gegeben. In Kiriat Bialik nahe der Hafenstadt Haifa seien zwei Häuser getroffen worden, berichtete die Nachrichtenseite ynet. Auch in Haifa selbst gab es Raketenalarm. Der Rettungsdienst Magen David Adom teilte mit, drei Menschen seien bei den Angriffen verletzt worden. Mehrere weitere hätten einen Schock erlitten.
Die Hisbollah-Miliz im Libanon erklärte am Morgen, Raketen auf eine Militärindustrienanlage in Haifa abgefeuert zu haben. Dies sei Vergeltung für die explodierten Pager und Walkie-Talkies, schrieb die Hisbollah auf ihrem Telegram-Kanal. Die Miliz und Israels Armee lieferten sich in der Nacht erneut schwere Gefechte. Die proiranische Miliz feuerte Dutzende Raketen auf den Norden Israels ab, die so weit reichten wie noch nie. Auch südwestlich von Nazareth heulten am Morgen die Warnsirenen.
Die meisten Geschosse seien abgefangen worden, teilte das Militär mit – auch mehrere Drohnen, die sich vom Irak aus näherten. Israels Luftwaffe hatte zuvor nach eigenen Angaben etwa 110 Stellungen der Miliz im Südlibanon attackiert, darunter einsatzbereite Raketenabschussrampen und “terroristische Infrastruktur”. Seit Samstagnachmittag seien rund 400 Ziele angegriffen worden, hieß es.
USA rufen zur Ausreise auf
Angesichts der Eskalation verschärfte die Armee am frühen Morgen die Einschränkungen für Bewohner im Norden Israels. Unter anderem auf den Golanhöhen und in der Küstenstadt Haifa darf kein Unterricht stattfinden. Arbeitsplätze dürfen nur aufgesucht werden, wenn sich ein Schutzraum in der Nähe befindet, wie die “Times of Israel” meldete. Versammlungen im Freien seien auf maximal 10 Personen, in Innenräumen auf 100 Teilnehmer beschränkt.
Die USA rufen angesichts der Eskalation ihre Staatsbürger zum Verlassen des Libanons auf. Aufgrund der unvorhersehbaren Entwicklung “und der jüngsten Explosionen im gesamten Libanon” einschließlich der Hauptstadt Beirut rate die US-Botschaft ihren Landsleuten “dringend, den Libanon zu verlassen, solange noch kommerzielle Optionen verfügbar sind”, teilte das US-Außenministerium mit. Noch gebe es Flüge, aber mit reduzierter Kapazität.
Die Sorge, dass sich der Konflikt zum Flächenbrand entwickelt, wächst. Die etwa 400 im Libanon getroffenen Raketenwerfer der Hisbollah hätten Tausende Raketenabschussrohre umfasst, hieß es von Israels Militär.
USA wollen Hisbollah und Hamas entkoppeln
Am Freitag hatte Israels Armee einen Angriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut ausgeführt und dabei nach eigenen Angaben 16 Hisbollah-Mitglieder getötet, darunter der ranghohe Hisbollah-Militärkommandeur Ibrahim Akil, dem der Angriff nach Angaben des israelischen Militärs gegolten hatte. Auch mehrere andere ranghohe Hisbollah-Kommandeure wurden dabei getötet. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums kamen bei dem Angriff insgesamt mindestens 37 Menschen ums Leben, darunter auch drei Kinder.
Die US-Regierung sei nach Aussagen von Beamten “äußerst besorgt” über das Risiko eines umfassenden Krieges zwischen Israel und dem Libanon, berichtete das Nachrichtenportal Axios. Washington hoffe aber, den zunehmenden militärischen Druck Israels auf die Hisbollah nutzen zu können, um eine diplomatische Einigung zu erzielen, damit Zivilisten auf beiden Seiten der israelisch-libanesischen Grenze in ihre Häuser zurückkehren können.
Mit diplomatischem und zunehmendem militärischem Druck möchte Israel erreichen, dass die Hisbollah sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht, so wie es eine UN-Resolution vorschreibt. Sobald die grenznahe Region wieder sicher ist, sollen 60.000 geflüchtete Israelis in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren. Die proiranische Schiiten-Miliz will ihre Angriffe auf Israel jedoch erst einstellen, wenn es zu einer Waffenruhe zwischen Israel und der mit ihr verbündeten islamistischen Hamas im Gazastreifen kommt. Israel und die USA suchten nach Möglichkeiten, die Hisbollah-Miliz von der Hamas abzukoppeln, berichtete “Axios” weiter.
Die Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung der dort weiter festgehaltenen Geiseln in der Gewalt der Hamas drehen sich seit Wochen im Kreis. In Israel gingen am Abend nach örtlichen Medienberichten erneut Zehntausende Menschen auf die Straße, um eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln zu fordern.