Fridays for Future in Berlin: „Danke, dass ihr nicht denkt, dass Migration das größte Problem unserer Zeit ist“ | ABC-Z
Beim „globalen Klimastreik“ von Fridays for Future vor dem Kanzleramt tritt Bestseller-Autor Marc-Uwe Kling („Känguru-Chroniken“) auf. Er attackiert Unions-Kanzlerkandidat Merz und stellt die ungesteuerte Migration als „erfundene“ Krise dar. Zudem geißelt er „unglaublich viele Lügen“ zum Klima.
Fridays for Future ruft zum „globalen Klimastreik auf die Straßen“: Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin versammeln sich einige Hundert Personen, vor der Bühne stehen Dutzende Kinder und Jugendliche mit Schildern wie: „Es ist der 10. November im Wetterbericht stehen 30 Grad.“
Zunächst verteilen aus Flohmarktbuden heraus Aktivisten von „Letzter Generation“, Sea-Watch und Deutscher Umwelthilfe Flyer. Zwei Moderatoren versuchen die Besucher zum Skandieren zu bewegen: „Kennt ihr den noch? ‚Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!‘“
Richtig mitbrüllen wollen die Anwesenden aber nur bei „Hallo, Olaf“-Rufen Richtung Kanzleramt und wenn sie rufen: „Wo, wo, wo ist der Klimakanzler?“ Ein kleiner Junge zeigt gegen Scholz‘ Amtssitz den Stinkefinger und sagt grinsend: „Fick dich!“ Die Moderatoren versuchen dann auch, mittels Vorsingen einer umgedichteten Version des Kinderlieds „Von den blauen Bergen kommen wir“, der Menge einzuheizen, aber sie singen allein: „Von der blauen Erde kommen wir, unsere Erde stirbt genauso schnell wie wir ….“
Auf dem Schild eines älteren Jugendlichen steht „Fridays for Future“, darunter eine Erdkugel einer zubeißenden Pac-Man-Videospielfigur gegenüber, und darunter steht: „Game Over??“
Zuletzt fiel Fridays vor allem durch die Hetze ihrer schwedischen Galionsfigur Greta Thunberg gegen Israel auf – davon hat sich die deutsche Sektion immer wieder distanziert. Jene, die am Freitag vors Kanzleramt gekommen sind, klingen noch wie zu Hochzeiten der Schülerdemonstrationszüge: Sie seien „so verdammt wütend“, rufen drei junge Frauen – 14, 15 und 17 Jahre alt – dem Publikum zu.
Politiker, das seien „erwachsene Menschen, deren Job unsere Zukunft ist“, ruft eine von ihnen, ihre Stimme überschlägt sich. Eine andere: „Wir haben dieses Jahr jeden einzelnen Monat in Folge die 1,5-Grad-Grenze geknackt.“ Und sie behaupten: Gerade seien 23 Personen an den Folgen des Klimawandels gestorben. Sie meinen die Toten der Überflutungen in Polen, Tschechien und Österreich. Die Katastrophe sei längst da, heißt das, aber die Stimmung auf der Veranstaltung ist fröhlich.
„Schaut euch die sogenannten Nachrichten an!“
Nach den Frauen tritt ein Stargast der Demonstration auf. Angekündigt wird er als „Highlight“ und als jemand, der einen „unfreiwilligen Mitbewohni“ hat: „das Känguru“. Es ist Marc-Uwe Kling, Autor der millionenfach verkauften und verfilmten „Känguru-Chroniken“ – darin geht um das Zusammenleben eines altlinken, verträumten Kleinkünstlers mit einem „kommunistischen“, sprechenden Känguru.
„Ist immer ein bisschen aufregend, hier zu sein, für mich, muss ich sagen. Ich habe eine Rede geschrieben. Ich lese sie euch vor“, spricht er in seinen von Hörbüchern bekannten monotonen Redeweise ins Mikrofon.
Da die Anwesenden ja wüssten, „was das Problem sei“, habe er sich beschlossen, seine Redezeit dafür zu nutzen, „einfach mal ‚danke‘ zu sagen. Danke, dass ihr hier seid. Danke, dass ihr nicht denkt, dass Migration das größte Problem unserer Zeit ist – obwohl sich Friedrich Merz so viel Mühe gegeben hat, das alle glauben zu machen.“ Das Publikum applaudiert und jubelt nach der Spitze gegen den Unions-Kanzlerkandidaten.
Kling fährt fort: „Apropos Friedrich. Merz findet Klimaschutz in der Politik überbewertet. Hat er gerade gesagt.“ Kling dagegen findet Merz „in der Politik überbewertet“ und schlägt dann vor, den CDU-Chef „ab sofort nur noch den Alten Fritz zu nennen“.
Für Merz hat Kling weite Teile der Rede reserviert, auch einen Abschlusswitz: „Hier der Lieblingswitz vom Känguru. Der Alte Fritz, einer seiner Wähler und ein Asylbewerber sind auf einer Barbecue-Party. Auf dem Grill sind 100 Würstchen. Der alte Fritz nimmt sich 99 und sagt zu seinem Wähler: Vorsicht, der Asylant will dein Würstchen.“ Einer im Publikum ruft „Bravo!“ – andere jubeln.
Aber Kling hat auch eine „ernste“ Botschaft. Danke sagen wolle er auch dafür, „dass ihr den Nebel aus Desinformation durchschaut, den die Brennstoffindustrie aus ihren Schloten qualmen lässt. Eine Industrie, die im Schnitt drei Milliarden Dollar Gewinn pro Tag macht“, ruft er. „Geld, mit dem man so unglaublich viele Lügen in so unglaublich vielen Medien kaufen kann. Geld, mit dem man sich das ganze Medienunternehmen kaufen kann.“
Deshalb, so der Bestseller-Autor: „Danke, dass ihr es schafft, in dieser medialen Dauerberieselung Ereignisse von Emotionen zu unterscheiden. Fakten von Meinungen.“ Und das sei „gar nicht so einfach. Schaut euch die sogenannten Nachrichten der letzten Wochen an! Topthema war meist nicht etwas Neues, das tatsächlich passiert ist.“
Stattdessen, behauptet der Autor, der auch Podcasts für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Berlin-Brandenburg macht: „Die große Nachricht war oft, dass der alte Fritz oder sein US-Vorbild“ – er meint wohl Donald Trump – „schon wieder was zum Thema Migration gesagt haben. Danke, dass ihr euch davon nicht ablenken lässt. Danke, dass ihr immer wieder demonstriert, obwohl es manchmal nervt.“ Und er sagt auch: „Danke, dass ihr Parteien wählt, die die echten von den erfundenen Krisen unterscheiden können, auch wenn es von diesen Parteien leider immer weniger gibt.“
Dann animiert er die Kinder vor der Bühne und die Erwachsenen dahinter, Richtung Kanzleramt zu rufen: „Hallo, Olaf!“ Und setzt nach: „Du hast doch gesagt, du bist der Klimakanzler. Mach doch mal was.“
Omas gegen Rechts und ein kongolesischer Gast
Kling tritt ab, Auftritt der Omas gegen Rechts mit antifaschistischen „Alerta, alerta“-Rufen der Rednerin. Danach tanzen Kinder in der ersten Reihe bei einem Live-Auftritt der Sängerin Carla Ahad: „Sonne auf der Rückbank, Fahrtwind im Gesicht. Ich denke an nichts.“
Nach ihr spricht der Klima-Aktivist François Kamate aus der Demokratischen Republik Kongo. Er sagt: Dort würden „Frauen und Kinder regelmäßig vergewaltigt, auch in Krankenhäusern“. Die „Massaker“ und anhaltenden bürgerkriegsartigen Zustände dort würden auch durch Gelder aus illegalem Rohstoffabbau befeuert.
Als er seine fünf Minuten Redezeit zu überziehen beginnt, läuft ein blond gelockter Junge vor die Bühne und tänzelt umher, um die Aufmerksamkeit des Aktivisten zu erhaschen: „Bitte komm zum Ende“, steht darauf – „Ende“ ist in bunten Buchstaben geschrieben. Der Kongolese sieht ihn offenbar nicht.
Seine Rede beendet er dann später selbst mit dem Ausruf „Free, free Congo!“ und dann „Free, free Palestine!“. Die Menge jubelt.
Politikredakteur Jan Alexander Casper berichtet für WELT unter anderem über Kommunalpolitik und den Brandenburg-Wahlkampf.