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Rassismus auf dem roten Teppich? | ABC-Z

Das Filmfest von Cannes ist beendet, aber durch die sozialen Medien schwappt noch immer eine Empörungswelle. Es geht um den roten Teppich, die Sängerin Kelly Rowland und Rassismusvorwürfe gegen eine Security-Frau. Der Vorfall ereignete sich schon am vergangenen Dienstag während der Premiere der französischen Komödie „Marcello Mio“ – doch die Aufregung auf Twitter, Instagram und den anderen Netzwerken baute sich erst langsam auf. Zur Filmgala reiste auch die amerikanische Sängerin Kelly Rowland an. Im roten Bustierkleid posierte sie auf dem roten Teppich. Was dann geschah, hat mittlerweile so viele Deutungen erfahren wie ein Orakelspruch. In einem Video sieht man: Rowland läuft die Stufen hinauf, eine ­Sicherheitsfrau breitet hinter ihr die Arme aus, zwischen den beiden entspinnt sich ein Wortwechsel, bei dem die Sängerin am Ende mit erhobenem Zeigefinger auf die Frau deutet. Das Video entstammt dem ­Livestream, mit dem das Festival den Gang der Stars bei jeder Premiere überträgt – allerdings kommentiert durch ­Moderatoren, ohne Ton des Streits.

War die Sicherheitsfrau auf Kelly Rowlands Schleppe getreten? Hatte sie der Sängerin etwas Befremdliches zuge­flüstert? Oder verhielt sich Rowland, die als Mitglied von Destiny’s Child zum Star wurde, nur ihrem Image entsprechend als Diva? Die britische „Daily Mail“ engagierte einen Lippenleser, der entziffert haben will, dass Rowland sagte: „In diesem Ton sprechen Sie nicht mit mir!“

Einen Tag später wiederholte sich die Szene noch zugespitzter. Die dominikanische Schauspielerin Massiel Taveras versuchte, die Schleppe ihres Kleides über die Länge der Stufen auszubreiten, um das darauf gedruckte Jesusbild mit Dornenkrone zur Geltung zu bringen. Dieselbe Security-Frau streckte ihren Arm aus und versuchte, die Schauspielerin nach oben zu leiten. Zwei weitere Sicherheitsleute in schwarzen Anzügen falteten den Stoff zusammen und trugen ihn einige Stufen hinauf, ­Taveras entriss ihn den Männern und warf die Schleppe wie ein Fischernetz abermals über die Treppe. Als sie dann stehenblieb und nach unten winkte, fasste die Frau sie leicht an der Taille, um sie weiter in Richtung Eingang zu bewegen. Taveras stieß die Frau von sich. Spätestens nach diesem Vorfall wurden Vorwürfe laut, die Security betreibe rassistische Red-Carpet-Politik.

Der rote Teppich folgt einem strikten System

Dazu muss man wissen, dass sich in Cannes ein striktes System für den roten Teppich etabliert hat. Es soll glamourös zugehen: Der Dresscode verlangt von Männern Anzug mit Fliege und von ­Frauen immer noch High Heels. Gleich­zeitig gilt es, einen präzisen Zeitplan einzuhalten. Pro Tag zeigt das Festival im Grand Theatre Lumière bis zu fünf Vorstellungen. 2300 Personen haben im Premierenkino Platz, und kein Sitz bleibt leer. Um ­alle Besucher pünktlich in den Saal zu bekommen und den Fotografen trotzdem genug Zeit für die begehrten Bilder zu geben, hat man Regeln eingeführt, auf deren Einhaltung penibel geachtet wird.

Eine der Regeln: keine Smartphones auf dem roten Teppich. So will man verhindern, dass Influencer und Schauspieler für Selfies posieren und der Fluss der Gäste ins Stocken gerät. In Pose werfen darf man sich auf dem flachen Teil des Teppichs, dessen Seiten die Journalisten der Fotoagenturen säumen. Von dem Moment an, in dem die Stars ihrer Limousine entsteigen, ergeben sie sich einer rigiden Choreographie, die an Hunde-Shows erinnert. Das Sicherheitspersonal in den unauffälligen schwarzen Anzügen und Kleidern ist dafür zuständig, die Promis von einem ­Fotospot zum nächsten zu geleiten und sie notfalls in die korrekte Richtung zu drehen, in die nun gewunken und posiert werden soll. Am Fuß der Treppe nimmt man zügig die steilen Stufen – sofern man dies in High Heels kann, so manche Schauspielerin hat schon nach dem Arm des Sicherheitspersonals greifen müssen, um die ­Stufen hinaufzukommen. Dort stehen zu bleiben ist ein Fauxpas. Für ein offizielles Foto mit den beiden Festivalleitern auf der Treppe zu verharren ist ein Privileg der Regisseure und Stars des Films, der wenige Minuten später seine Premiere feiert.

Gegenüber der „Daily Mail“ haben ­daher Kollegen das Verhalten der Sicherheitsfrau verteidigt. Sie habe nur ihre Arbeit gemacht und sich an die Vorgaben gehalten, sagte ein nicht namentlich genannter Platzanweiser, der seit 20 Jahren für das Festival arbeitet. „Sie hat niemanden geschubst“, sagte er. „Sicherheit gehört hier genauso zur Priorität wie das Einhalten der strikten Zeitpläne, das ist vertraglich festgelegt.“ Und diese Regeln gelten eben auch für Prominente.

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