Kommentar zu SPD und BSW in Brandenburg: Hornauf legt Widersprüche der Koalition offen | ABC-Z

Kommentar zu SPD und BSW in Brandenburg
–
Hornauf legt Widersprüche der Koalition offen
Die Abstimmung des BSW-Abgeordneten Sven Hornauf für einen Antrag der AfD hat abermalig für Irritationen gesorgt. So umstritten der Inhalt ist: Der Abweichler legt den Finger schonungslos auf die Bruchstellen des Bündnisses. Die Koalition ist gefangen in Widersprüchen, meint Hanno Christ.
Am Donnerstagabend hatten sich die Wogen wieder geglättet, die eben noch über der Koalition von SPD und BSW zu brechen drohten. Der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf darf in der Fraktion bleiben, wenn auch vorerst auf Bewährung. Der streitbare Anwalt aus Frankfurt (Oder) ist bekannt dafür, bei Abstimmungen eher seinen eigenen Kopf durchzusetzen, als sich an die Verabredung der Koalition zu halten, gemeinsam und nicht für Anträge der Opposition zu stimmen.
Genau das aber war am späteren Mittwochabend im Landtag passiert: Hornauf hatte einem Antrag der AfD zur Bildung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) zugestimmt, sich aber beim PKK-Antrag von SPD und BSW enthalten. Ein grober Verstoß gegen die Spielregeln der Koalition, die ohnehin nur eine Mehrheit von zwei Stimmen hat. Das sei „kein Zustand“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Lüttmann.
Das Verhalten sei „destruktiv“ und gehöre abgestellt. Das aber sei Sache des BSW, meinte Lüttmann. Ob man anschließend die Regelung des Vorgangs tatsächlich alleine der BSW-Fraktion überließ oder eben doch Druck auf den kleineren Koalitionspartner ausgeübt hatte, bleibt offen. Ein Ausschlussverfahren gegen Hornauf aus der Fraktion wurde am Mittwoch diskutiert, am Donnerstag aber offenbar schnell wieder vom Tisch gewischt.
BSW-Fraktion ist sich uneins, möchte aber keinen Ausschluss
Tatsächlich hagelt die Kritik an Hornauf eher aus den Reihen der SPD. Aus der BSW-Fraktion war mehr Verständnis als scharfe inhaltliche Kritik zu hören. Man könne seine Position nachvollziehen. Ausschluss? Auf keinen Fall. Der Mann werde gebraucht. Am Ende schien sogar die SPD ein Auge zuzudrücken.
Offenbar war es wichtiger, schnell für Ruhe zu sorgen als die Konflikte in der doch gerade erst gezimmerten Koalition nachhaltig zu lösen. Ruhe ist auch bitter nötig: In den nächsten Wochen und Monaten stehen kräftezehrende Haushaltsverhandlungen an. Soviel zur Tektonik der Brandenburger Koalition, die zur Wochenmitte für ein kurzes Beben gesorgt hatte – und für eine politische Lösung.
Die Lava aber ist noch lange nicht erkaltet. Sachlich und rechtlich ist der PKK-Antrag von SPD und BSW weiter umstritten, von einer Klärung durch das Landesverfassungsgericht ist auszugehen. Die AfD hat das schon angedroht.
SPD und BSW verbiegen sich
Politisch ist die Angelegenheit erstmal gegessen: In der Sache aber verbiegen sich SPD und BSW in der Koalition immer wieder bis an die Schmerzgrenze, bis zur Verneinung ihrer selbst. Es geht nicht mehr nur um die üblichen Kompromisse, sondern um den Kern politischer Versprechen und um die DNA beider Regierungsparteien.
In der umstrittenen Abstimmung am Mittwoch etwa ging es um die Neubildung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), also jenes Gremiums, das den Verfassungsschutz kontrolliert und über weitreichende Möglichkeiten verfügt, Einblicke in die Arbeit des Inlandsgeheimdienstes zu bekommen. Das ist besonders brisant, wenn eine der im Landtag vertretenen Parteien auch noch vom Verfassungsschutz beobachtet wird – siehe AfD.
Wird die PKK passend gemacht?
Derzeit hat die PKK sechs Sitze – die AfD hat keinen davon, versuchte sich aber auch schon erfolglos einzuklagen. Im Verfassungsschutz-Gesetz heißt es, die Opposition müsse „angemessen“ vertreten sein. Was „angemessen“ heißt, darüber gibt es Streit. Eine PKK ohne AfD war mit der Besetzung des alten Landtages nach außen leichter vertretbar. Damals saßen noch die Bündnisgrünen, die Linke und BVB/Freie Wähler im Parlament.
Aber jetzt mit nur noch vier Fraktionen im Landtag? SPD und BSW streben die Verkleinerung der PKK an: Zwei Sitze für die Regierungsparteien, einen für die Opposition, also für CDU oder AfD. Wem die Abgeordneten ihr Vertrauen schenken werden, entscheiden sie in geheimer Abstimmung wahrscheinlich erst im Mai. Die AfD aber sieht als größte Oppositionsfraktion in der PKK-Verkleinerung bereits den Versuch, sie auszugrenzen – was von den anderen Fraktionen dementiert wird.
Hornauf als Enfant terrible
Das BSW hat im Wahlkampf angekündigt, den Verfassungsschutz kritisch unter die Lupe zu nehmen, noch dazu – im Falle eines Falles – auch mal Anträgen der AfD zuzustimmen, aber nur wenn sie „vernünftig“ sind.
Solche Widersprüche traten bei der Abstimmung am Mittwoch offen zutage. Für Hornauf ist der AfD-Antrag offenbar vernünftiger als der seiner eigenen Leute. Er sieht die Rechte der Opposition verletzt, sollte die PKK verkleinert werden und die AfD als größte Oppositionsfraktion keinen Sitz bekommen. Er hält das eben nicht mehr für „angemessen“. Er scheute sich auch nicht, dem AfD-Antrag zuzustimmen, der nebenbei auch noch forderte, der AfD auch gleich den Vorsitz der PKK zukommen zu lassen.
Man könnte das auch so sehen: Der AfD-Antrag hätte den Bock zum Gärtner gemacht, und die Partei von der Beobachteten zur Beobachterin gewandelt. Hornauf aber zieht durch und tut das, was das BSW schon immer gefordert hat. Nur, dass er es eben aus einem Regierungsbündnis heraus tut. Die Zwänge einer Koalition scheinen ihn nicht zu scheren.
Koalition der Widersprüche
Gleiches gilt auch für Fragen um den Krieg in der Ukraine und die Bundeswehr. Das BSW sieht sich als forsche Stimme des Friedens, die SPD wiederum als Partei, die die Ukraine unterstützt und die Bundeswehr „kriegstauglich“ machen wird. Hornauf ist immer wieder derjenige, der detailliert nachfragt, welche Rolle das Land bei der Aufrüstung des Bundeswehrstandortes Schönewalde/Holzdorf im Süden Brandenburgs spielt.
Damit fällt er vor allem SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke in den Rücken, der sich stets für die Bundeswehr stark macht. Im Bundesrat Mitte Februar musste es jedem Ukraine-Unterstützer weh tun, dabei zuzusehen, wie sich Brandenburg einem Antrag der Länder enthielt, in dem symbolisch weitere Hilfe für die Ukraine bekräftigt wurde. Das BSW hatte seine Zustimmung verweigert, weil das Wort „Frieden“ in der Erklärung fehlte. Die SPD verschwieg ihr Dilemma lieber.
Die Koalition in Brandenburg arbeitet seit ihrer Geburt mit vielen Widersprüchen – und wird sie nicht auflösen können. Dafür sind die Konflikte unserer Zeit zu fundamental. Für die Opposition ist es immer wieder ein Leichtes, einen Keil in zwischen SPD und BSW zu treiben. Und wenn sie es nicht tut, dürfte der Abgeordnete Hornauf sie wohl wieder darauf aufmerksam machen.