5 Orte abseits des Massentourismus | ABC-Z
Berge oder Strand? Für Kreta können sich Paare und Familien das ewige Streitthema bei der Urlaubsplanung getrost sparen. Denn die größte griechische Insel hat beides: einige der schönsten Sandstrände am Mittelmeer und drei Hochgebirge, wo es an Wanderwegen wahrlich nicht mangelt. Die höchsten Gipfel der über 2000 Meter aufragenden Berglandschaften des Dikti, Psiloritis und Lefka Ori, der Weißen Berge, grüßen manchmal selbst im Juni noch mit verschneiten Silhouetten, während zumindest Hartgesottene auch im Winter noch im Libyschen Meer baden. Im Sommer ist die Mittelmeerinsel meist hoffnungslos überlaufen – vor allem entlang der Nordküste. Aber auch in der Hochsaison gibt es Alternativen, um dem Massentourismus zu entkommen. Fünf Vorschläge:
1. Bergpfade statt Küstenstraßen im Norden
Wer auch immer die Menschen waren, die einst auf Kretas Berggipfeln ihren Göttern huldigten, sie hatten die Orte für ihre geweihten Stätten mit Sinn für Theatralik gewählt. Vom Gipfelheiligtum auf dem Juchtas etwa blickten die geheimnisvollen Minoer – benannt nach dem legendären König Minos – gleichzeitig auf das Ägäische Meer, das Dikti-Gebirge im Osten, das 2148 Meter aufragt, und den Psiloritis im Westen, mit fast 2500 Metern der höchste Gipfel Kretas. Noch mächtiger und einsamer ist nur das Lefka Ori, die „Weißen Berge“ jenseits davon.
In der griechischen Mythologie tummeln sich die Götter auf den Berggipfeln und in der kretischen Unterwelt. Der Tradition nach gelten die Psychro-Höhle am Fuß des Dikti und die Idäische Grotte nahe des Psiloritis als die Orte, wo Zeus zur Welt gekommen und seine Kindheit verbracht haben soll. Der Juchtas liegt ziemlich exakt zwischen beiden Orten. Während die Sandstrände des Nordens vor allem zwischen Maleme und Agios Nikolaos in der Ferienzeit fest in der Hand des Massentourismus sind, kann man dem unerträglichen Rummel bisweilen schon in einer halben Autostunde ins gebirgige Inselinnere entfliehen. Hier warten einsame Bergpfade, wo Anemonen und Orchideen blühen und mancherorts allein das Zirpen der Zikaden die Stille verdrängt.
2. Minoische Gipfel- und Höhlenheiligtümer statt Knossos
Auf Kreta wurde vor mehr als 4000 Jahren die erste Hochkultur Europas geboren. Um die faszinierende Welt der Minoer zu entdecken, pilgern die meisten Touristen nach Knossos. Nicht selten kehren sie jedoch enttäuscht von der berühmten Ausgrabungsstätte zurück. Denn die zu Beginn des 20. Jahrhunderts teils aus Zement rekonstruierten Palastanlagen sind in der Hauptreisezeit chronisch von Touristenmassen aus aller Welt überschwemmt.
Wer jedoch die wahre Magie der Minoer erleben will, macht sich auf zu den versteckten Höhlen und Berggipfeln, wo wohl bereits um 2000 vor Christus ihre geheimnisvollsten Kulte stattfanden. Mindestens 26 Gipfelheiligtümer vor allem im Zentrum und Osten Kretas und mehr als ein Dutzend Höhlen, in denen bereits vor Jahrtausenden rituelle Handlungen stattfanden, haben Archäologen nachgewiesen. Die wenigsten davon weisen jedoch deutlich sichtbare Mauerreste oder ähnliche Spuren auf. Viele lohnen aber allein schon wegen ihrer spektakulären Lage und ihrer Mystik einen Besuch.
Die Höhle Skotino etwa, eine halbe Autostunde westlich von Heraklion gelegen, muss einst eines der wichtigsten Heiligtümer der Minoer gewesen sein. Im Licht der Stirnlampe ragen verwitterte Stalagmiten auf wie Tiergestalten. Von den Höhlenwänden hängen gewaltige Stalaktiten. In einer unterirdischen Kammer soll sich einst ein Altar befunden haben. Forscher fanden hier rätselhafte Votivgaben aus Bronze und Keramik, die wohl bereits zur Frühzeit der minoischen Zivilisation den Göttern geopfert wurden. Anders als in der Höhle von Psychro und in der Idäischen Grotte, die auch bei Touristen bekannt sind, hat man den Bauch der Erde und den kühlen Schauer, der sich mit jedem weiteren Schritt in die Finsternis einstellt, hier ganz für sich allein.
Aus dem Tempel der Finsternis hinauf zu geweihten Gipfeln: Wo das Levantinische Meer in Kretas fernem Osten an kargen Berghängen zerrt, führt von der minoischen Ausgrabungsstätte Roussolakkos ein schmaler Pfad hinauf zum Gipfelheiligtum von Petsofas. Oben auf dem Gipfelplateau fanden Archäologen rätselhafte Votivgaben, Terrakotta-Statuetten, männliche und weibliche Figuren in Tier- und Menschengestalt. Erhofften sich die Menschen dem Himmel so nah Heilung durch ihre Götter? Oben auf dem Gipfel von Petsofas angekommen, streift der Blick vom Abhang weit über die Ruinen von Roussolakos hinweg auf das Tiefblau der Buchten, die vorgelagerten Inselchen und letzten Enden des Reichs der Minoer.
3. Aradena- statt Samaria-Schlucht
Wie Knossos gehört auch die Samaria-Schlucht zu den beliebtesten Zielen auf Kreta. Ohne Zweifel führt der wohl beliebteste Wanderweg der Insel durch eine überwältigende Felslandschaft. Doch oftmals bilden sich Menschenschlangen nahe der schmalsten Stelle, wo die Schlucht nur etwa drei Meter breit ist. In der Aradena-Schlucht, die etwas weiter östlich das Lefka Ori-Gebirge durchschneidet, herrscht viel weniger Andrang und die Szenerie ist ebenso spektakulär. Bisweilen kann man zwischen den steil aufragenden Felswänden ganz allein dem Gezwitscher der Samtkopf-Grasmücken und Blaumerlen lauschen und mit etwas Glück Gänse- und Bartgeier am Himmel kreisen sehen. Am Ende der Schlucht wartet eine Taverne mit Blick auf die idyllische Strandbucht von Marmara, wo sich die verschwitzten Wanderer mit einem Bad im türkisblauen Libyschen Meer abkühlen können.
4. Bergdörfer statt Hafenstädte
Viele Kreta-Touristen bekommen von der Insel nicht viel mehr als ihre Hotelanlagen in der Nähe von Chania, Rethymno oder Heraklion zu sehen. Ausflüge beschränken sich oft auf deren Altstädte und Museen, die durchaus sehenswert, aber gerade in der Hauptreisezeit oft überfüllt sind. Wer die authentische Kultur und Küche Kretas kennenlernen will, erkundet besser die traditionellen Bergdörfer im Inselinneren. In den Tavernen von Vamos, Meskla oder Theriso probiert man vom Myzithra- und Graviera-Käse der Berghirten des Lefka Ori, am besten natürlich mit einem Vidiano- und Romeiko-Wein eines lokalen Winzers. In Theriso lernt man auch über den Aufstand unter dem kretischen Nationalheld Eleftheros Venizelos um 1905, der entscheidend zur späteren Vereinigung der Insel mit Griechenland beitrug. Auf der anderen Seite der Weißen Berge, in Anopolis, bekommen Wanderer traditionellen Malotira-Tee, den die Kräuterbauern noch immer in den Bergen ernten. Von hier aus können sie einen seiner etwa 50 Gipfel erklimmen, die mehr als 2000 Meter aufragen.
5. Stille Buchten statt Hotelstrände im Norden
Wer zum Partymachen nach Kreta kommt, muss entlang der Hotelstrände im Norden der Insel nicht lange suchen. Am fotogensten sind jedoch die Strände im Westen, vor allem die von Balos und Elafonissi, die immer wieder in den Ranglisten der schönsten Strände Europas auftauchen. Das beschert ihnen an sonnigen Tagen einen bisweilen unschönen Touristenansturm. Zu Füßen des Lefka Ori-Gebirges gibt es jedoch einige Strände, die selbst in der Hochsaison selten überlaufen sind. Das Fischerdorf Loutro etwa liegt in einer halbmondförmigen Bucht, die noch immer einzig für Wanderer oder mit dem Boot erreichbar ist. Auch der Strand von Sougia, den einst Hippies für sich entdeckten, wurde bis heute noch nicht vom Massentourismus überrannt, obwohl man ihn inzwischen auch mit dem Auto besuchen kann. Wem das noch immer nicht entlegen genug ist, darf sich am Strand von Domata am Ende der unentdeckten Klados-Schlucht manchmal selbst im Sommer ein wenig wie Robinson fühlen. Oder eben so einsam wie die schöne Königstochter Europa, die Zeus in Stiergestalt als ersten Menschen nach Kreta verschleppte. Und mit der es, wenn man den Göttern Glauben schenkt, auf dem alten Kontinent einst zu menscheln begann.