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Leo Neugebauer gewinnt Gold im Zehnkampf bei Leichtathletik-WM | ABC-Z

Der große Wurf des Leo Neugebauer begann mit dem Speer. Auf dem Weg zu Gold im Zehnkampf entwickelte sich am Schlusstag der Leichtathletik-WM in Tokio eine seiner schwächeren Disziplinen zum Schlüsselerlebnis für den Deutschen. Zwar hatte sein Trainer Jim Garnham in der vergangenen Woche angedeutet, dass Neugebauer im Speerwurf eine Überraschung gelingen könne.

Dem deutschen Zehnkämpfer dürfte es trotzdem nicht gefallen haben, dass die Vorentscheidung ausgerechnet in dieser Disziplin fallen sollte. Neugebauer brauchte eine gute bis sehr gute Leistung, um dem in Führung liegenden US-Amerikaner Kyle Garland noch gefährlich werden und Ayden Owens-Delerme (Puerto Rico) auf Abstand halten zu können.

„Wir haben so viele Ausfälle“

Garnham hatte nicht zu viel versprochen. Der Speer flog weit, sehr weit, bis an die 65-Meter-Marke. Aber der erste Versuch zählte nicht – übergetreten. Im zweiten Durchgang passte alles zusammen. Neugebauer wagte etwas weniger Risiko, dadurch senkte sich der Speer früher, aber: genau 61,00 Meter, neue Bestweite für Neugebauer, weiter als die Würfe seiner Konkurrenten.

Und der Fünfundzwanzigjährige konnte nachlegen. Im dritten Versuch flog der Speer 64,34 Metern Meter weit, eher im Rasen steckte. Neugebauer schob sich auf den ersten Platz, sprang jubelnd durch die Gegend, als wolle er sich vor der letzten Disziplin, dem 1500-Meter-Lauf noch einmal pushen.

Nach einem großen Finale für die Deutschen sah es anfangs nicht aus. Mit Neugebauer, dem früheren Weltmeister Niklas Kaul und Till Steinforth, der bei der Hallen-EM und -WM jeweils Dritter wurde, trat der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) im Finale der Zehnkämpfer an. Steinforth musste nach drei Disziplinen verletzt aufgeben.

Nach einer kleinen Operation an der Leiste waren die Schmerzen unter maximaler Belastung zu groß. Eine ganze Reihe von Favoriten verabschiedete sich aus dem Kampf um die Medaillen. Von den 24 gemeldeten Zehnkämpfern beendeten nur 15 den Wettbewerb. „Das ist ein Zehnkampf, wie ich ihn noch nie erlebt habe“, sagte Kaul: „Wir haben so viele Ausfälle. Das ist schon extrem krass, wie viele hier rausfliegen.“

„Es ist verrückt, was hier los ist“

Simon Ehammer (Schweiz) hatte im Hochsprung alle Medaillenchancen eingebüßt, Weltmeister Pierce LePage (Kanada) trat zum 400-Meter-Lauf nicht an. Der Norweger Sander Skotheim, der mit 8909 Punkten als Nummer eins der Welt nach Japan gereist war, stolperte zum Start in den zweiten Tag über die Hürden, stieß ein Hindernis mit den Händen um und wurde disqualifiziert.

Olympiasieger Damian Warner (Kanada) war wegen Achillessehnenproblemen gar nicht erst an den Start gegangen, Weltrekordhalter Kevin Mayer (Frankreich) und Olympiasieger Markus Rooth (Norwegen) hatten schon vor der WM abgesagt. „Es ist verrückt, was hier los ist“, sagte Neugebauer.

DSGVO Platzhalter

Er stand nach seiner Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2024 auf einmal im Fokus und spürte den Druck, den er sich sonst nur selbst gemacht hat. Neugebauer brauchte etwas, um in den Wettkampf zu finden. Nachdem er über 100 Meter (10,80 Sekunden) und im Weitsprung (7,62 Meter) unter seinen Möglichkeiten geblieben war, überzeugte er mit 16,70 Metern im Kugelstoßen, eine Saisonbestleistung für ihn.

Im Hochsprung hatte sich Neugebauer mindestens zwei Meter vorgenommen, kam aber nicht über die 1,99 Meter hinaus. Über 400 Meter musste er sich durchkämpfen und brauchte 48,27 Sekunden bis ins Ziel. Nach dem ersten Tag belegte er mit 4455 Punkten den vierten Platz. Der Weg zur Goldmedaille schien weit.

Holprig in den zweiten Tag

Neugebauer, der seit Jahren in den Vereinigten Staaten trainiert und dort seinen Spitznamen „Leo the German“ erhielt, startete auch etwas holprig in den zweiten Tag. Über 110 Meter Hürden touchierte er fast jede Hürde, aber kam nach 14,80 Sekunden ins Ziel. Anschließend gelangen ihm im Diskuswurf 56,15 Meter – der weiteste Wurf eines Zehnkämpfers bei einer WM.

Und beim Stabhochsprung überflog er 5,10 Meter. Vor dem 1500-Meter-Lauf hatte Neugebauer 15 Punkte – umgerechnet vier Sekunden – Vorsprung auf den Zweitplatzierten Garland und mehr als 100 Punkte auf den drittplatzierten Owens-Delerme, der über die Distanz als deutlich stärker einzuschätzen war.

DSGVO Platzhalter

Owens-Delerme setzte sich auch gleich an die Spitze, aber Neugebauer ließ sich davon nicht irritieren und lief die ersten drei Runden in einem gemächlichen Tempo. Erst auf den letzten Metern erhöhte er nochmals das Tempo. Er quälte sich sichtlich, ging beinahe über die Ziellinie, und brach dahinter vor Erschöpfung zusammen.

Mit dem Rücken lag er auf der vom Regen nassen Bahn, hatte die Augen geschlossen, als der Stadionsprecher verkündete, dass es h gereicht hatte – mit einer persönlichen Bestleistung von 4:31,89 Minuten hatte Neugebauer die Goldmedaille gewonnen. Er siegte mit 8804 Punkten vor Owens Delerme (8784 Punkte) und Garland (8703).

„Ich bin platt und genervt“

Auch Kaul hatte sich Disziplin für Disziplin immer besser in den Wettkampf hineingearbeitet. Nach einem guten ersten Tag musste er im Stabhochsprung einen Rückschlag hinnehmen, als er mit 4,70 Metern deutlich unter seiner Saisonbestleistung (4,92 Meter) blieb und dadurch seine Chancen auf eine Medaille verspielte.

„Ich bin platt und genervt. Das ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe und was ich kann“, sagte er: „Es fehlt der Ausrutscher nach oben – und der Stabhochsprung war jetzt ein Ausrutscher nach unten.“ Mit 78,19 Metern im Speerwurf und 4:20,76 Minuten im abschließenden 1500-Meter-Lauf konnte Kaul nochmals Plätze gutmachen. Mit 8538 Punkten landete er auf dem vierten Platz. Zehnkampf können sie, die Deutschen.

„Endlich hat es im Speerwurf funktioniert“, sagte derweil Neugebauer, die Medaille um den Hals, in der Mixed Zone: „Ich wusste, dass ich es kann, und es endlich gezeigt zu haben, macht mich sehr glücklich.“ Bis zur letzten Disziplin habe er nicht daran gedacht, dass es mit dem WM-Titel klappen könnte.

Nach dem Speerwurf hätten ihm seine Konkurrenten aber gesagt, dass er sogar an erster Stelle liege: „Dann wusste ich genau, was ich laufen muss.“ Nach dem 1500-Meter-Lauf sei er so kaputt gewesen, wie er es noch nie in seinem Leben erlebt habe. Er habe all seine Energie gebraucht, um wieder hochzukommen. Im Rollstuhl fuhr man ihn über die Bahn: „Ich kann nicht glauben, dass es wirklich passiert ist.“

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