Bezirke

20 Jahre Hoftheater Bergkirchen: Erfolg mit guter Mischung – Dachau | ABC-Z

SZ: Herr Müller, das Hoftheater Bergkirchen ist in der Region etabliert. Wie hat 2005 alles angefangen?

Herbert Müller: Ulrike Beckers und ich haben 2002 die Neue Werkbühne übernommen. Das ist seit 1968 ein Tourneetheater für die Schulen. Wir brauchten unbedingt ein Lager für die Ausstattung, das mittig in unserem Tourneegebiet lag. So kamen wir nach Bergkirchen.

Aber Sie haben nicht im Lager Theater gespielt?

Nein, zuerst nicht. Dann habe ich mir den Raum – den ehemaligen Kuhstall auf dem Biobauernhof Weller – mal genauer angesehen und dachte: Warum spielt man hier nicht Theater? Wir hatten ja auch überlegt, das österreichische Tourneegebiet aufzugeben, dafür brauchten wir einen Ersatz. Also: Warum nicht hier ein Theater aufbauen?

Was hat Ihr damaliges Ensemble gesagt?

Es war mehr als skeptisch. Die Meinung war: Das kann ja gar nicht gut gehen. Keine Großstadt in der Nähe, nichts …

Aber Sie haben dennoch angefangen.

Ja, im Provisorium. Mit Stühlen und Podesten aus dem Fundus und ganz wenigen Zuschauern. Wir haben oft vor drei bis fünf Leuten im Zuschauerraum gespielt. Da hieß es: einfach durchhalten.

Sie sind ein erfahrener Theatermann, stehen seit mehr als einem halben Jahrhundert als Schauspieler, Autor und Regisseur auf der Bühne. Warum sind Sie dieses Risiko eingegangen?

Ich wollte gern ein eigenes Theater haben. Ulrike Beckers und ich wollten nach unserem Stilempfinden eine künstlerische Qualität entwickeln, die unsere Handschrift trägt.

Sie haben von Anfang an auf eine Mischung aus Schauspiel, Musiktheater, Komödie und Tragödie gesetzt. Warum?

Wir wollten und wollen ein Publikum ansprechen, das möglichst vielseitige Interessen hat. Das heißt, wir mussten zwischen Schauspiel und Musiktheater alles anbieten, was wir mit dem kleinen Ensemble leisten konnten, um erst einmal Publikum ins Haus zu bekommen. Eigentlich wie im Stadttheater, nur im Kleinen.

Theaterleiter Herbert Müller bei einer Stefan Zweig-Lesung...
Theaterleiter Herbert Müller bei einer Stefan Zweig-Lesung… (Foto: Toni Heigl)
... als Georg Friedrich Händel im Stück "Mögliche Begegnung"...
… als Georg Friedrich Händel im Stück “Mögliche Begegnung”… (Foto: Niels P. Jørgensen)
... und mit Jürgen Füser (rechts) im Stück „Halpern & Johnson“.
… und mit Jürgen Füser (rechts) im Stück „Halpern & Johnson“. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie lange dauerte die Anfangsphase?

Sie hat schon drei bis vier Jahre gedauert. Wir hatten ja damals nur 50 Plätze, die waren, wie gesagt, anfangs gar nicht besetzt, in den Komödien schon eher. Nach zweieinhalb, drei Jahren waren wir dann endlich ausverkauft. Doch dann kamen neue Stühle. Das waren 30 Plätze mehr, die mussten auch noch ausverkauft werden. So hat es angefangen.

Sprechen wir über die Schultheater-Sparte. Wie ist die Resonanz?

Die Neue Werkbühne als Tourneetheater ist auch heute noch Voraussetzung für Zuschüsse durch das Kultusministerium. Wir stehen besser da als zu Beginn. 2002 haben wir 55 Vorstellungen pro Jahr in Bayern gespielt. Das hat sich im Laufe der Jahre – auch durch Corona – reduziert. Nun stehen wir wieder bei mehr als 50 Vorstellungen pro Jahr. Und die jüngste Produktion „Das Herz eines Boxers“ läuft gerade gut an.

Was steht auf dem Programm?

Die Klassiker, aber in bearbeiteter Form; also „Nathan der Weise“, „Faust I“, „Der zerbrochene Krug“ und so weiter.

Wie kommt das im Hoftheater an?

Gut, denn die bearbeiteten Fassungen motivieren viele Zuschauer, sich noch einmal oder erstmalig mit den Klassikern zu beschäftigen, das hören wir immer wieder.

Was läuft am besten, und wie viele Vorstellungen gibt es pro Jahr?

Im Hoftheater spielen wir rund 120 Vorstellungen pro Jahr mit einer durchschnittlichen Auslastung von 74 Prozent. Und am besten läuft alles, was lustig ist. Wir bemerken in den letzten zwei Jahren, dass das Interesse massiv in diese Richtung geht. Das ist nachvollziehbar. Und ich glaube nach wie vor, dass Musik zu unserem Erfolg beigetragen hat. Musik ist ein ganz wesentlicher Faktor.

Ihre Musikauswahl spricht ein bestimmtes Publikum an – auch altersmäßig. Warum?

Da ich ja im Alter meines Publikums bin, ist es derselbe Musikgeschmack. Auf der anderen Seite wollen wir musikalisch jünger werden. Das geschieht durch unsere Revuen, die musikalisch-literarischen Programme und vor allem durch die Jazz-Konzerte und durch das Songbook, das wir in dieser Spielzeit erstmals präsentieren.

Was ist das Songbook?

Wir haben im Ensemble Künstlerinnen und Künstler, die einen Soloabend gestalten können. Diese Chance wollen wir ihnen bieten. Jessica Dauser, eine ausgebildete Musicalsängerin und Choreografin, soll die erste sein und gestaltet das Songbook one. Wir haben gemeinsam die Musik ausgewählt – sie stammt von Andrew Lloyd Webber und hat eine ganz eigene Geschichte – und sie hat ihren Klavierbegleiter ausgesucht. Ich möchte, dass daraus eine sehr persönliche Reihe entsteht.

Warum machen Sie das?

Weil ich das gern mache. Jedes Theater lebt von seinem Ensemble. Regisseure sich entwickeln zu lassen, Schauspielerinnen und Schauspieler mit immer neuen Rollenaufgaben aufzubauen, das ist mein Job.

Sind solche Projekte ein Grund, warum das Publikum zunehmend jünger wird – oder liegt es an der Stückauswahl, wie etwa „Die starken Frauen auf der Burg“, eine moderne Fassung von „Lysistrata“?

Ich glaube, an beidem. Wenn wir eine 2000 Jahre alte Komödie von Aristophanes über eine Kriegszeit, in der Frieden nicht möglich ist, spielen, ist das eine Aussage. Wenn wir „Jazz for democracy“ machen und Musik mit amerikanischer Literatur verbinden, dann ist das auch eine Aussage.

An Silvester hat „Orpheus in der Unterwelt“ von Jacques Offenbach Premiere. Warum haben Sie dieses Werk ausgewählt?

Weil es ein toller Stoff ist und weil Orpheus – nicht nur in der Welt der Götter – die Übermännlichkeit ad absurdum führt. Und ironisiert. Zudem können wir nach Aristophanes nicht eine Operette mit rein unterhaltendem Charakter spielen, wie etwa „Die lustige Witwe“. Orpheus in der Unterwelt spannt einen inhaltlichen Bogen zu Aristophanes und hat gleichzeitig eine völlig andere Form. Mich interessiert vor allem, wie Herr Offenbach hier die Gesellschaft parodiert, indem er die Musik total überhöht. Zudem nehme ich die Textfassung, die Nestroy in Wien aufgeführt hat. Die gängige deutsche Übersetzung des Librettos ist ein bisschen brav. Deshalb passt die Nestroy-Fassung gut in eine Zeit, in der die Menschen mal nichts mehr denken wollen, aber durch Unterhaltung und Musik trotzdem zum Denken angeregt werden können.

Klingt so, als hätten Sie Ihr Herz daran verloren.

Ja, das ist ein Lieblingsprojekt von Ulrike Beckers und von mir: die große Operette in kleiner Besetzung auf vier mal vier Metern Bühnenfläche.

Was ist Ihre persönliche Bilanz nach 20 Jahren?

Es ist schön, dass Ulrike Beckers und ich das durchgehalten haben. Es war oft sehr schwer, es war auch finanziell schwierig. Wir haben alles reingesteckt, was wir hatten. Wir haben das Hoftheater in den zwanzig Jahren so entwickelt, dass es jetzt eine feste Kultureinrichtung in der gesamten Region ist. Das ist schon zufriedenstellend. Und es ist ein schönes Gefühl, das jetzt allmählich an die nächste Generation zu übergeben. Das andere ist, es gibt Stücke, die ich furchtbar gern machen wollte – und dazu brauchte ich mein eigenes Theater.

Das klingt nicht so, als hätten Sie große Zukunftssorgen.

Ein Theater hat immer Sorgen. Die öffentlichen Zusagen der bayerischen Staatsregierung, dass in der Kultur nicht eingespart wird, machen Hoffnung, und man ist dankbar dafür. Aber wie weit können andere Körperschaften, Bezirk, Landkreis, Gemeinden, in derselben Weise verfahren? Und im Vergleich zu den Stadt- und Staatstheatern müssen wir ja viel mehr Eigeneinnahmen erwirtschaften, rund 65 Prozent aller Einnahmen. Da ist es auch schön, dass es einen Freundeskreis Hoftheater gibt. Doch ehrlich: das eine ist die Sorge um die Finanzierung, das andere die Fürsorge für das Ensemble und das allabendliche künstlerische Bemühen für das Publikum. Das eine muss sein, das andere macht Spaß.

Back to top button