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2. Liga: „Wir brauchen Siege und nicht okay“ – Hertha versinkt in Durchhalteparolen | ABC-Z

Die Lage bei Hertha BSC spitzt sich dramatisch zu. Nach der Pleite gegen Schalke befinden sie die Berliner im freien Fall. Während die Profis größtenteils schweigen, flüchtet sich der neue Trainer schon nach drei Spielen in Durchhalteparolen.

Nach dem Schlusspfiff erkannte man endgültig, wer in den blau-weißen Reihen auf den Rängen des Olympia-Stadions für Schalke gefiebert hatte. Als die Mannschaft aus Gelsenkirchen in Richtung Marathontor lief, erhoben sich ihre Anhänger. Jubel brandete auf. Bestimmt 25.000 Gästefans waren im Stadion. Erst feierten sie ihre Mannschaft, dann noch bis weit nach Spielende sich selbst.

Währenddessen schlichen die Profis von Hertha BSC über den Rasen und klatschten verlegen in Richtung der wenigen Fans, die nicht sofort die Flucht aus dem Stadion ergriffen. Die Berliner Anhänger in der Ostkurve hatten während des Aufwärmens ein Banner mit der Aufschrift „Volle Verantwortung für die Fahne auf der Brust! Abstiegskampf annehmen!“ gezeigt. Die Mannschaft kam der Forderung nicht wirklich nach.

Durch das 1:2 (0:1) gegen Schalke verschlechterte sich die Situation der Berliner im Abstiegskampf der Zweiten Liga nochmals. Der Abstand auf den Relegationsplatz könnte am Sonntag auf einen Punkt schrumpfen.

„Schmerzhaft“ nannte Geschäftsführer Thomas E. Herrich den nächsten Nackenschlag im Abstiegskampf der 2. Fußball-Bundesliga. „Wir müssen ins Punkten kommen“, forderte Sportdirektor Benjamin Weber. Binsenweisheiten, Durchhalteparolen in einer unverändert schwierigen Lage.

Herthas Profis wollten nicht reden

Toni Leistner schlich durch die Interview-Zone. Fabian Reese drehte sich noch einmal um und verschwand in den Katakomben. Die Hertha-Profis wollten nach der Partie nicht reden; sie gingen wortlos an den wartenden Journalisten vorbei. Nur die verpflichtenden TV-Interviews absolvierten sie. Ob dies Absicht gewesen sei, wurde Stefan Leitl auf der Pressekonferenz nach der Partie gefragt. „Nein, das ist mir nicht bekannt“, antwortete Berlins Trainer. Herthas Pressesprecherin schüttelte ebenfalls ratlos mit dem Kopf.

„Es war ein ausgeglichenes Spiel in der ersten Halbzeit, da hatten wir unfassbar viele Ballgewinne“, begann Leitl seine Analyse, um dann festzustellen: „Wir haben sie leider nicht genutzt.“ Seine Mannschaft sei nach dem 0:1 (27.) durch Schalkes Tomas Kalas verunsichert gewesen. „Das muss man den Spielern in der Situation zugestehen.“ Leitl setzte deshalb gegen den Tabellennachbarn auf Stabilität.

Routinier Leistner rückte in die Startelf und ins Zentrum einer Abwehr-Dreierkette. Doch mit einer seiner ersten Aktionen verursachte der 34-Jährige unbedrängt einen Eckball. Eine Szene mit Symbolcharakter für eine verunsicherte Hertha-Elf, die mit dem 3-3-2-2-System von Leitl lange wenig anfangen konnte. Hertha fand in der ersten Halbzeit nicht statt. Und das in einem ausverkauften Heimspiel vor 70.000 Zuschauern.

Trainer Leitl fuchtelte immer wieder mit seinen Armen umher, um seine Profis zu ermutigen, den Schalker Spielaufbau zu stören. Gebracht hat es nichts. Während Loris Karius in der Vorwoche gegen Aufsteiger Münster über sich hinauswachsen musste, waren die Herthaner nicht in der Lage, den Schalker Torwart zu beschäftigen.

Nach der Pause nahm Fabian Reese die Hertha auf seine Schultern. In der 51. Minute traf er nach feiner Einzelleistung zum Ausgleich. Fortan suchten seine Mitspieler den schnellen Flügel immer wieder, damit er seine Schnelligkeit gegen die langsamen Innenverteidiger der Gäste ausnutzen konnte.

„Dann ist etwas passiert, was niemals passieren darf. Wir haben uns mit dem Elfmeter selbst bestraft“, ordnete Leitl das Foul von Ibrahim Maza ein, dass in der 55. Minute nach einer Fehlerkette der Berliner zum Strafstoß für Schalke geführt hatte. Kenan Karaman traf zum 2:1.

Berliner Chancenwucher nach der Pause

Ab der 60. Minute hatten die Berliner tatsächlich mehr vom Spiel. Reese trieb seine Mitspieler an, doch die Berliner trafen das Tor nicht. Zeefuik vergab in der 69. Minute die größte Chance auf das 2:2, köpfte nach einer Flanke aber am leeren Tor vorbei. „Wir haben die Spieler etwas nach vorn geschoben. Da hat man gesehen, wozu die Mannschaft in der Lage ist“, suchte Leitl nach dem Positiven in der unglücklichen Niederlage. „Das Spiel in der zweiten Hälfte war okay. Wir brauchen Siege und nicht okay.“ Im Gegensatz zu den Schalkern, die nach dem Erfolg wohl endgültig gerettet sind, stellt sich bei Hertha derzeit die Frage, in welchem Szenario überhaupt ein Spiel gewonnen werden kann.

„Wir sind sehr glücklich mit dem 2:1 hier. Wir waren wie gegen Münster die glücklichere Mannschaft“, erklärte Schalkes Trainer Kees van Wonderen: „Man braucht manchmal Glück.“ Stefan Leitl, sein Nebenmann auf dem Podium, wirkte in diesem Moment wie das personifizierte Unglück. Herthas Trainer saß mit versteinerter Miene auf dem Pressepodium und nahm den Kommentar seines Kollegen ohne Regung zur Kenntnis.

Die Statistiken sprechen gegen die Hertha und sind teils verheerend. Die Berliner warten aktuell am längsten von allen Teams der Zweiten Liga auf einen Sieg; aus den vergangenen sieben Spielen holte der Klub nur einen Zähler. Leitl, der auf Christian Fiél folgte, konnte den Negativtrend bislang nicht stoppen. Unter ihm gab es nur einen Punkt aus drei Spielen.

Hertha mitten im Abstiegskampf

Die Niederlage gegen Schalke war die achte Heimniederlage der laufenden Saison – das sind die meisten ligaweit und für Hertha so viele wie zuvor nie in einer kompletten Zweitliga-Spielzeit. Sieben sieglose Heimpartien hintereinander erlebten die Berliner im Unterhaus letztmals in der Saison 1985/86.

„Die Herausforderungen waren uns bekannt. Diese Herausforderungen gehen wir positiv an“, verfiel Leitl an diesem gebrauchten Nachmittag noch in Durchhalteparolen. Es war sein drittes Spiel als Hertha-Trainer. „Ich predige seit Amtsantritt, dass wir als Team agieren und zusammenhalten müssen. Wir brauchen Siege. Dementsprechend werden wir arbeiten.“

Als Nächstes treten die Berliner bei Eintracht Braunschweig an. Die Braunschweiger könnten am Sonntag in der Tabelle noch auf einen Punkt an die Herthaner heranrücken. „Die Lage ist so ernst wie vor dem Nürnberg-Spiel. Wir haben in der Rückrunde vier Punkte geholt“, legte Leitl den Finger in die Wunde. „Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

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