1860-Trainer Glöckner tritt auf die Euphorie-Bremse | ABC-Z

Über Wochen hat sich eine Euphorie rund um den TSV 1860 aufgebaut, die selbst von der Irrfahrt nach Investoren-Absurdistan nicht zu stoppen war. Riesige Begeisterung schon beim Trainingsauftakt, ein Fanfest der Giesinger Superlative und Testspiele fast durchweg wie aus einem Guss. Die Mannschaft von Trainer Patrick Glöckner könnte kaum beschwingter sein, wenn sie nun am Donnerstag in den Bus steigt, der sie – hoffentlich ohne Irrfahrt – nach Essen zum Drittliga-Auftakt chauffiert. “Egal, wo du hingehst, egal, wen du triffst, es ist einfach alles positiv”, schwärmt Glöckner von der Atmosphäre, die sein Löwen-Rudel umgibt.
Stunde der Wahrheit
Aber der Coach weiß auch, dass am Freitag um 19 Uhr im ausverkauften Stadion an der Hafenstraße die Stunde der Wahrheit schlägt. Dann wird all die Begeisterung, dann wird die tolle Vorbereitung der Sechzger mit nur einem Gegentor und der überzeugende 4:0-Generalprobe bei Jahn Regensburg auf den ersten von 38 Ernstfall-Prüfsteinen gestellt. “Ich möchte sehen”, forderte Glöckner, “dass meine Mannschaft das zeigt, was sie in der Vorbereitung gezeigt hat.” Stabilität, Variabilität zählen dazu, attraktiver Fußball auch – und dass sich das Team als eine Einheit präsentiert.
Herausforderer Rot-Weiss Essen
Rot-Weiss Essen ist dabei ein Gegner, dem man ähnlich wie den Löwen zutraut, im Aufstiegsrennen ein gewichtiges Wort mitzusprechen. “Da sind richtige Kaliber in der Mannschaft”, urteilt Glöckner, der sich freut, beim Saison-Eröffnungsspiel vor fast 20.000 Zuschauern “direkt ins Volle einzutauchen”. Gleichzeitig hält er aber all jenen entgegen, die ob Verpflichtungen wie jenen der Herzenslöwen Kevin Volland und Florian Niederlechner schon jetzt von der Zweiten Liga träumen: “Wenn wir es schaffen, unsere DNA auf den Platz zu bringen und das zu verkörpern, was der Löwen-Fußball repräsentieren soll, dann sind wir in der Lage, die bestmögliche Tabellensituation zu erreichen. Aber wir dürfen nicht anfangen, rumzuspinnen.”

© IMAGO/Ulrich Wagner
von IMAGO/Ulrich Wagner
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Demut und Ambitionen
Glöckner spricht von Demut, spricht davon, eine Aufgabe nach der anderen anzugehen und zu absolvieren, er spricht von bis zu sieben Klubs, die ähnliche Ambitionen wie der TSV 1860 verfolgen könnten. Das A-Wort nimmt er genauso wie Geschäftsführer Christian Werner nicht in den Mund. “Wir wollen oben mitspielen, das kann auch die Mannschaft unterstreichen”, sagt der Coach und ergänzt: “Oben mitspielen heißt aber nicht, dass wir vorneweg marschieren müssen und die anderen keine Rolle spielen.”So sehr der 48-Jährige die Euphorie genießt und sie als Antrieb nutzt, so sehr weiß er auch, dass dieses Sechzig der Vollands und Niederlechners der Gejagte in der Dritten Liga sein wird. Man darf davon ausgehen, dass die Vorschusslorbeeren, die der TSV allerorten erhält, auch für den Schuss Extramotivation bei jedem Gegner sorgen werden. Die Sechzger zu schlagen und ihnen ein paar Steine in den Weg zu rollen, dürfte ein reizvolles Ziel werden – von Aachen bis Cottbus wie von Rostock bis Ulm.
Herausforderung und Chancen
“Jeder hat vor dem ersten Spieltag gehörigen Respekt”, sagt Glöckner mit Blick auf die noch fehlende erste Standortbestimmung auch und bezeichnet die Löwen vor dem Duell in Essen mit dem Verweis auf deren Top-Leistung im ersten von zwei Tests gegen Bundesligist Augsburg (2:1) sogar als “Außenseiter. Wir brauchen uns nicht hinstellen und sagen: ‘Wir sind der Riesenfavorit, der auswärts in Essen gewinnen muss.”Aber Glöckner glaubt freilich auch an die Stärke seiner Mannschaft, sieht den enormen Konkurrenzkampf, das Gerangel um die Plätze in der Startelf, die im Übrigen so aussehen wird wie in Regensburg. Der gebürtige Bonner nimmt das “gute Gefühl” aus den Leistungen der Vorbereitung mit, aus der Tatsache, dass keine Verletzungen bei Leistungsträgern zu beklagen sind – und er nimmt mit, dass sich bereits der richtige Spirit entwickelt habe. Selbstbewusst verdeutlicht er: “Wir haben eine Einheit geformt und sind extrem schlagkräftig.”