1860 München: Löwen-Krise verschärft sich nach 0:3 gegen Bielefeld – Sport | ABC-Z

Max Reinthaler kommt in die Interviewzone, er stützt seine Hände auf die Knie, beugt den Oberkörper weit nach unten und blickt auf den Boden, als ob er etwas sucht. In dieser Haltung hört er sich die erste Frage an. Was war diesmal der Grund für die Niederlage? Sechs Sekunden lässt er sich Zeit mit der Antwort, dann streckt sich der Innenverteidiger zurück auf seine 1,93 Meter und antwortet: „Dass wir mit dem ersten wirklich gefährlichen Angriff das 1:0 kriegen“, sagt er. Wenn es doch so einfach wäre.
Körpersprache und Aussage könnte man leicht falsch verstehen, zumal Reinthaler nach diesem 0:3 gegen Arminia Bielefeld auch noch sagte: „Ich habe keine Bielefelder gesehen, die überlegen waren.“ Reinthaler war einfach körperlich platt, ausgelaugt. Man muss sich als Löwen-Fan keine Sorgen darüber machen, dass sie bei 1860 München den Ernst der Lage nicht erkannt haben. „Wir müssen alles annehmen, was kommt, wir müssen es einfach erzwingen. Wir müssen es erzwingen, egal wie“, so Reinthalers Schlussplädoyer am Freitagabend. Mittelfeldspieler Philipp Maier sagte bei Magentasport zur aktuellen Lage: „Druck hast du bei Sechzig München immer. Damit musst du umgehen können, sonst bist du beim falschen Verein.“
Auf dem Platz hatten sie sich kämpferisch auch nichts zuschulden kommen lassen. Das nicht, aber Sorgen bereiten sollte den Fans gerade das: dass sie den Abstiegskampf schon angenommen haben, und trotzdem nichts Besseres dabei herauskommt als 2:8 Tore in den vergangenen beiden Drittliga-Spielen. Ein letzter Platz in der Heimtabelle und seit Sonntagnachmittag Tabellenplatz 16 in der Gesamttabelle. Die Situation durch eine weiß-blaue Brille zu betrachten, macht es sicher nicht besser, vielmehr kann das bedeuten, dass bayerisch gesehen mit dem fast schon sicheren Absteiger SpVgg Unterhaching, der am Samstag 0:1 bei Erzgebirge Aue verloren hat, gleich zwei Teams aus dem Freistaat in die Regionalliga abrutschen könnten.
Für Sechzig freilich wäre es die deutlich größere Katastrophe, mitten in eine Zeit hinein, in der darüber diskutiert wird, wie wichtig doch ein zweitligataugliches Stadion für die Zukunftsplanung sei. In die Frage hinein, die den Verein ohnehin permanent vor die Zerreißprobe stellt: Ist 1860 München noch ein bundesweites, oder doch nur noch ein regionales Phänomen? Auch wenn die Anhänger am Freitag ihren Protest darüber ausdrückten, dass kürzlich Spieler des FC Bayern für ein Fotoshooting in „ihrer“ Westkurve standen – es ist nur noch eine Reminiszenz an den Hass früherer Tage. Im schlechtesten Fall, wenn der FC Bayern II im Mai in die dritte Liga aufsteigt, könnte sogar deren Zweitvertretung höherklassiger spielen als „Münchens wahre Liebe“.
Kann eine Mannschaft ihre Naivität im Spiel einfach durch eine Traineranordnung abstellen?
Das größte Löwenproblem auf dem Platz ist, dass sie trotz eines kurzen Trainerwechsel-Effekts zu Patrick Glöckner immer noch viel zu leicht aus der Fassung zu bringen sind. Das wurde gegen eine clever spielende Mannschaft wie Bielefeld besonders deutlich, die am Dienstag gegen Werder Bremen um den Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale spielt. „Die bestrafen Fehler sofort, wir bestrafen Fehler nicht sofort, deswegen ist das dann schon noch mal eine Qualitätsfrage“, sagte Glöckner. Maier sprach die eigene Naivität an, und es ist die große Frage, ob es einem Chefcoach gelingen kann, im Training mal eben anzuordnen, diese Naivität doch bitte abzustellen.
Die Gegentore am Freitag sind der beste Beleg: Vor dem 0:1 (36.) gab es eine unangekündigte Trinkpause, die das Tempo aus dem Spiel nahm. Dann einen langen Abstoß und eine gelupfte Verlängerung, die Abwehr war einfach nicht im Bilde, das merkte später auch Linksverteidiger Anderson Lucoqui an. Unmittelbar vor dem 0:2 (83.) war eben jener Lucoqui humpelnd vom Feld gelaufen, Sechzig spielte in Unterzahl. Und kassierte über seine Abwehrseite den Treffer, den der Sechziger Julian Guttau mit einem perfekten Steilpass einleitete. Ob er zum nicht anwesenden Lucoqui spielen wollte, oder ob er einfach einen Blackout hatte, ist im Nachhinein einerlei.
Die kommenden Spiele sind also, mal wieder, besonders wichtig: Im März stehen gleich drei Partien gegen Konkurrenten an, die im Moment noch hinter den Sechzigern stehen: auswärts in Hannover, zu Hause gegen Unterhaching und auswärts in Osnabrück. Doch Glöckner ist im Moment noch weit davon entfernt, eine Stammelf zu finden, die dann vielleicht auch mal ein wenig gefestigter auftreten könnte. Am Sonntag war noch fraglich, ob Thore Jacobsen länger ausfallen wird – der Routinier im defensiven Mittelfeld hatte sich kurz vor der Pause auf den Rasen gesetzt und war zur zweiten Halbzeit nicht mehr aufgelaufen.
Wie schwer Lucoqui verletzt ist, war auch noch nicht bekannt. Er hatte zumindest Glück, dass er in der 71. Minute nicht des Feldes verwiesen wurde, der Unparteiische hatte ihm schon Gelb-Rot gezeigt. Und dann aber offensichtlich bemerkt, dass er zuvor nicht Lucoqui, sondern der anderen Nummer drei auf dem Feld, Bielefelds Joel Felix, Gelb gezeigt hatte. Es könnte also immer noch schlimmer kommen für Sechzig, als es schon ist – auch wenn das komisch klingt.