Bezirke

München: Kameramann Hans-Günther Bücking ist tot – München | ABC-Z

Es war seine klare Bildsprache, die Generationen von Kameraleuten inspirierte. Nie verirrte sich eine Blume in die auf das Wesentliche reduzierten Filme des Hans-Günther Bücking. „Wenn du etwas zu sagen hast, reichen dafür die einfachsten Mittel“, lautete das Credo des Mannes, der am Donnerstag 73-jährig seinem schweren Krebsleiden erlag. „Am Ende haben ihm die Blumen aber Kraft gegeben“, erzählt seine Frau Marion Mitterhammer über die letzten gemeinsamen Tage in Bückings Haus in Wülfingerode in der Nähe von Bleicherode.

Hier in Thüringen war Bücking am 20. September 1951 zur Welt gekommen, bevor die Familie 1961 in den Westen flüchtete und er in München eine neue Heimat fand. Nach dem Studium und einer Ausbildung zum Steinmetz gehörte Bücking zum Team von Rainer Werner Fassbinder – zunächst als Beleuchter, später als Kameraassistent. Schon damals reichte sein Selbstbewusstsein, um dem namhaften Filmemacher Paroli zu bieten und sich von ihm zu emanzipieren. Nach weiteren Kameraassistenzen unter anderem bei „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ stand Bücking für über 60 Filme hinter der Kamera, bekam 2005  für „Schneeland“ den Deutschen und den Bayerischen Filmpreis und eine Nominierung für den Golden Globe Award für „Justiz“ als bester fremdsprachiger Film.

Nominiert und ausgezeichnet wurden auch seine Filme „Todesspiel“, „Solo für Klarinette“ und die Kameraarbeit zur Serie „Blackout“. Es gehörte zu Bückings Eigenarten, dass er keinen dieser Preise persönlich entgegennahm. „Ganz tief im Inneren war der Hans schüchtern“, verriet seine zweite Frau Marion Mitterhammer einmal, „das hat hat mich immer fasziniert bei ihm: seine äußerlich harte Schale und der weiche Kern.“

Er war auch immer ein Familienmensch, auf den sich die zwei Söhne aus erster Ehe (seine Frau starb 1999) immer verlassen konnten. Mit der Österreicherin Marion Mitterhammer hatte er seine Muse 2011 beim Film „Die Tänzerin“ gefunden. „Nach den Dreharbeiten habe ich mich von ihm verabschiedet und für die schöne Zusammenarbeit gedankt“, erinnert sich Mitterhammer, „er hat sich auch bedankt und gefragt: Willst du mich heiraten?“ Und sie wollte ihn, diesen Mann, der manche an einen der drei Musketiere erinnerte und sich genauso furchtlos gerierte.

Zum Beispiel beim Umgang mit den TV-Sendern. Obwohl Hans-Günther Bücking zehn Wilsberg-Produktionen und vielen weiteren TV-Filmen seinen Stempel aufdrücken konnte, überwarf er sich mit den meisten Fernsehredakteuren, weil sie seiner Ansicht nach zu wenig aus den Mitteln machten, die ihnen zur Verfügung standen. Bücking wollte stets das Beste. Mittelmaß war ihm ein Greuel. Seine persönlichen Präferenzen lagen bei Serien wie „Fargo“ oder „Shameless“, die er in seinem Domizil auf Gozo oder in seiner Münchner Wohnung bingen konnte, um zwischendurch das Bild anzuhalten und zu erklären, was gerade so großartig sei bei dieser oder jener Kameraeinstellung.

Als sein Vermächtnis dürfen seine letzten Arbeiten angesehen werden, die mit relativ geringen Mitteln einen ungeheuren Sog entfachten. „Vanessa“ und „Loybner“ gehören dazu, aber auch zuletzt der Thriller „Taktik“ mit Harald Krassnitzer und – am spektakulärsten – „Lotti – der etwas andere Heimatfilm“ 2020 mit einer kompletten lokalen Amateur-Crew vor und hinter der Kamera, die real seine bis dahin vor sich hindämmernde Heimatgemeinde Bleicherode aus dem Dornröschenschlaf weckte, fiktional aber einen Kultfilm erschuf, der die thüringischen Kinos füllte und sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde.

„Das Einfache ist groß“, hatte der ewige Außenseiter am Ende zu seinem Motto erhoben. Man sollte ihn beim Wort nehmen.

Back to top button