125 Jahre Fernmeldewesen: Elektronische Kampfführung statt Feldtelefon – Starnberg | ABC-Z
Zum 125. Geburtstag der Telegrafie- und Fernmeldetruppe zieht eine Drohne ihre Kreise über dem Gelände der General-Fellgiebel-Kaserne in Pöcking. Nein, damit werden am Dienstag nicht die knapp 1300 geladenen Gäste und Soldaten überwacht: Es ist eine handelsübliche Drohne, klein und kompakt. Mit dem Gerät lernen die Lehrgangsteilnehmer der ehemaligen Fernmeldeschule, die heute „Ausbildungszentrum CIR (Cyber- und Informationsraum) der Bundeswehr“ heißt, lediglich die Grundtechniken. Spezialkenntnisse werden den Soldaten anderswo beigebracht. Pro Jahr werden in den Kasernen Feldafing und Pöcking derzeit rund 6000 Netzwerkadministratoren und Fachinformatiker ausgebildet. Sobald die Umbauten in den militärischen Anlagen abgeschlossen sind, sollen es sogar bis zu 11 000 Soldaten werden.
Die Einrichtung hat erst im April ihre Arbeit aufgenommen, nachdem zuvor die Schule für Informationstechnik aufgelöst worden war. Das war notwendig, weil analoge Feldtelefone oder Funkgeräte längst der Vergangenheit angehören. Die Kameraden der Kabelbautrupps, intern respektvoll „Bongos“ genannt, haben weitgehend ausgedient. Heute werden die Lehrgangsteilnehmer im Bereich Informationstechnik, elektronische Kampfführung und militärischem Nachrichtenwesen ausgebildet. Die Schule ist das einzige zentrale Ausbildungszentrum der gesamten Bundeswehr für den IT-Bereich mit einer Dependance für strategische Aufklärung in Flensburg.
Auch beim Thema Sicherheit hat sich viel verändert. Die Zeiten, als während der Golfkriege in den Neunzigerjahren in der Kaserne höchste Sicherheitsstufe herrschte, sind offenbar längst vorbei. Trotz der Kriege in der Ukraine, in Libanon und im Gazastreifen wurden die Sicherheitsbestimmungen nicht erhöht: Die Gäste werden nach einer kurzen Prüfung des Personalausweises freundlich an der Hauptwache durchgewinkt und zu den verschiedenen mobilen Kommunikationssystemen geführt, die auf dem Gelände besichtigt werden können. „Wir sind in Bayern, da ist es ruhig“, erklärt Hauptmann Claus Piesch und meint offenbar damit, dass in Bayern die Welt noch in Ordnung ist. Den einzigen Angriff, den man hier befürchten müsse, sei der jährliche Kasernensturm des Pöckinger Faschingsclubs an den Narrentagen, meint Piesch augenzwinkernd.
Tatsächlich könnte hier auf dem Gelände auch eine normale, zivile IT-Ausbildungseinrichtung stehen. Zum Jubiläum aber stehen viele Geräte mit Schaltern, die mit unzähligen Kabeln unübersichtlich verbunden, unter Tarnnetzen verborgen oder in Fahrzeugen untergebracht sind. Von Zivilisten dürfen sie nicht betreten werden. Auch ein sogenanntes Manipulationsfahrzeug ist zu sehen: Es kann Kampfmittel, Tellerminen oder Sprengfallen untersuchen und entschärfen.
Daneben steht ein Bombenschutzanzug. Er sieht aus wie ein Astronautenanzug in Tarnfarben und dient zur Entschärfung vor Ort, heißt es. Erst hier wird dem Besucher bewusst, dass die Soldaten normalerweise nicht in der heilen Welt in Bayern leben, sondern im Ernstfall ihr Leben aus Spiel setzen. Damit haben die Lehrgangsteilnehmer aber nur am Rande zu tun: Die Schule zur Kampfmittelabwehr befindet sich in Baden-Württemberg.
Hier vor Ort befindet sich das Zentrum der Ausbildung mit dem Gebäude 200. Insgesamt stehen 293 Büros und 84 Lehrsäle zur Verfügung. Die Dachfläche ist voll gestellt mit Antennen, unter anderem mit sogenannten Reflektoren für den Satellitenempfang. Oberstabsfeldwebel Ludwig hört den Begriff „Satellitenschüssel“ nicht gerne: Das höre sich abwertend an, erklärt er. Denn dieses hochempfindliche Gerät kann Signale mit Lichtgeschwindigkeit zu dem 36 000 Kilometer entfernten Satelliten der Bundeswehr senden. Daneben befinden sich 16 Einzel-Antennen, die auf Einsatzfahrzeuge montiert werden können. Sie müssen im Wald ebenso funktionieren wie in der Wüste und auch alle klimatischen Bedingungen überstehen. Sie sind speziell abgesichert und suchen selbständig nach dem jeweiligen Satelliten, um senden zu können.
Zu sehen ist auch eine Bodenstation für die Satellitenübertragung: ein mobiles Rechenzentrum oder ein verlegefähiges, lokales Teilnehmer-Netzwerk, vergleichbar mit einem internen Firmen-Netzwerk. Die Lehrgangsteilnehmer werden darin ausgebildet, dass auch auf unwegsamen Gelände vor Ort entsprechende Kabel verlegt werden und alles funktioniert. Sie sind daher nach ihrer Dienstzeit bei der Bundeswehr auch in der freien Wirtschaft gefragte Fachleute.
„Der Mensch ohne Technik funktioniert nicht, aber Technik funktioniert auch nicht ohne den Menschen.“
Wie Chef Information Security Officer, Generalmajor Jürgen Setzer, einräumt, leidet die Bundeswehr, wie anderswo auch, unter Fachkräftemangel. In der freien Wirtschaft bieten sich für Soldaten nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr viele Alternativen. Man könne potenziellem Nachwuchs aber attraktive Angebote unterbreiten, betont Setzer. In Zeit- und Berufssoldaten investiert die Bundeswehr seinen Angaben zufolge fünf Jahre in die Ausbildung, bekomme dann aber zehn Jahre lang Leistung zurück. Wichtig ist seiner Ansicht nach auch, dass die Reservisten, „wenn wir sie brauchen, wieder zur Verfügung stehen“. Ein weiteres Problem ist die Geschwindigkeit: Es müsse Tempo gemacht werden – nicht nur im Gefecht, sondern auch bei der Beschaffung der Technik. „Der Mensch ohne Technik funktioniert nicht, aber die Technik funktioniert auch nicht ohne den Menschen“, sagt er.
Nach Angaben von Brigadegeneral Rainer Simon, Kommandeur der IT-Ausbildungszentren in Pöcking, Feldafing und Flensburg, ist die Bundeswehr derzeit im Kommunikationsbereich auf die Zusammenarbeit mit Universitäten und Behörden angewiesen. Dieser Tag, an dem Lehrgangsteilnehmer, Kommunalpolitiker und „Ehemalige“ zusammentreffen, sei daher sehr wichtig: Er soll den Zusammenhalt fördern, betont Piesch. Gerade die Ehemaligen seien in diesem Zusammenhang wichtige Multiplikatoren, die Nachwuchs vermitteln könnten. „Das Wesentliche ist der Zusammenhalt“, sagt Piesch, „er muss gelebt werden“.