1:1 bei St. Pauli vs Gladbach: Ein Seufzer hallt durchs Millerntor – Sport | ABC-Z

Es ging, wie zu dieser Jahreszeit üblich, mal wieder drunter und drüber am Hamburger Millerntorstadion. Präziser: Hinter dem Stadion, wo sich Karusselle um die eigene Achse drehten, ein Riesenrad seine Runden absolvierte und eine Achterbahn ihre turbulenten Bahnen zog. Aktuell ist wieder Frühlingsdom, das größte und älteste Volksfest Norddeutschlands, seit dem 11. Jahrhundert eine echte Institution. Und eine nette Kulisse bei Heimspielen des FC St. Pauli. Besonders, wenn die Sonne so goldgelb vom Himmel strahlt wie am Sonntag.
Von einem „Hammer-Spiel“ sprach Alexander Blessin nach dem 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach, doch St. Paulis Trainer strahlte nicht. Denn: Sein Team hatte an diesem Nachmittag zwar einen Punkt gewonnen – im Kampf um den Klassenverbleib hatte es aber irgendwie auch zwei Punkte verloren.
Die Kiezkicker ließen gleich zu Beginn nahezu alle Merkmale eines Aufsteigers vermissen, im positivsten Sinne. Der Ball wurde stilsicher durch die eigenen Reihen gepasst, regelmäßig sogar in jenen Zonen, in denen eigentlich der Gegner territoriale Ansprüche anzumelden hat. Und auch Gefahr konnte St. Pauli erzeugen: Spielmacher Daniel Sinani feuerte nach vier Minuten einen exzellenten Flachschuss aus der Distanz ab; und nach einer halben Stunde erhielt dann der dauerwirbelnde Flügelmann Elias Saad im Strafraum den Ball, freistehend, drei Meter vor dem Tor – sein Drehschuss landete jedoch in den Armen von Borussia-Keeper Cardoso.
Ein Seufzer hallte durchs Millerntor. Kein Wunder, jeder weiß ja um die alte Gesetzmäßigkeit im Fußball, nach der ein Kleiner solche Chancen zu nutzen hat. Die Gladbacher taten in der Folge nicht viel mehr, als auf diese Gesetzmäßigkeit zu vertrauen – und sie schließlich eiskalt in die Praxis zu überführen, als sich die Gelegenheit dafür bot.
Im Hause St. Pauli ist man erbost über eine Schiedsrichter-Entscheidung
Wobei rund um die Szene nicht nur Metaphysiker, sondern auch versierte Regelkundler mit Analysematerial versorgt wurden: Zuerst entschied Schiedsrichter Christian Dingert auf Elfmeter, nachdem St. Paulis Noah Weißhaupt an der Strafraumlinie gefoult worden war; nach genauerer Begutachtung am Videobildschirm revidierte sich Dingert jedoch, kein Foul, Schiedsrichterball. Im Hause St. Pauli war man jedenfalls sichtlich erbost über diese Entscheidung, Coach Blessin tobte am Seitenrand. Und er wandte sich entnervt ab, als Gladbach quasi im direkten Gegenzug zum Führungstreffer kam: Ko Itakura köpfelte einen Eckball aus elf Metern ins paulianische Tor, kurz vor dem Halbzeitpfiff. Viel mehr hatten die Borussen nach vorn nicht zustande gebracht.
Es war insofern beachtlich, mit welcher Klarheit und Zielstrebigkeit die Paulianer aus der Kabine kamen; sie rannten an und kombinierten sich immer wieder vors Gladbacher Tor. Sinani Weißhaupt und Saad hatten jeweils gute Gelegenheiten, sie konnten den Ball aber nicht dort unterbringen, wo er aus ihrer Sicht hinsollte.
Und so oblag es dem eingewechselten Angreifer Oladapo Afolayan, in der 85. Minute per wuchtigem Distanzschuss zum 1:1-Ausgleich zu treffen. Es war der 24. Torschuss der Paulianer – und eine der umjubeltsten Szenen der Saison. „Die nächsten sechs Endspiele müssen wir genau so angehen“, sagte Blessin. Nur die Effizienz seiner Spieler hatte er damit eher nicht gemeint.