Wohnen

100 Jahre Frobenius Institut in Frankfurt | ABC-Z

Im Keller des Frobenius-Instituts an der Goethe-Universität hängt ein älteres Ausstellungsplakat. Darauf zu sehen ist ein Schwarz-Weiß-Foto mit zwei Frauen, die auf Strickleitern stehen und von einer Felswand Zeichnungen abpausen. Auf einem anderen Bild sieht man eine lachende Frau, die eine alte Rolleiflex-Kamera in den Händen hält. In den erläuternden Texten zu den Plakaten ist von den „bad-ass women of the Frobenius expeditions“ die Rede, also von den, frei und etwas netter übersetzt, harten Frauen des Instituts.

Es waren nicht zuletzt Frauen, die die Geschichte des Instituts prägten – sie malten Felsbildzeichnungen ab, hielten den Betrieb aufrecht, als alle Männer während des Zweiten Weltkrieges eingezogen wurden, und retteten während der Bombenangriffe auf Frankfurt Bestände des Instituts in Privatwohnungen. Manchmal sei von einem „Amazonenstaat“ die Rede gewesen, sagt Institutsmitarbeiterin Katja Geisenhainer, Expertin für die Geschichte des Fachs Ethnologie.

„Ein reges Interesse an Afrika“

Im Büro von Roland Hardenberg, der seit 2017 Direktor des Instituts ist und als Professor an der Goethe-Universität Sozial- und Kulturanthropologie lehrt – diese Doppelrolle ist zwingend vorgeschrieben –, steht aber nicht die Büste einer Frau, sondern die eines Mannes. Sie stellt den Namensgeber des Instituts dar, Leo Frobenius. Redet man mit Geisenhainer und Hardenberg über diesen Mann, fällt oft der Begriff „ambivalent“. Wie kann es anders sein beim Vertreter eines Fachs, das in den vergangenen Jahrzehnten unter anderem wegen seiner kolonialen Verstrickungen und des vermeintlich überlegenen Blicks des Europäers auf die Kulturen der Welt in die Kritik geraten ist? Frobenius entsprach einerseits fast klischeehaft diesem Bild. „Er war ein Kind seiner Zeit, seiner Gesellschaft“, sagt Hardenberg.

Reproduktionen wie diese abgemalte Felszeichnung aus Südafrika in Originalgröße mit dem Titel „Große Gruppe gelber Elenantilopen“ lagern zu Tausenden im Archiv des Instituts.Wonge Bergmann

Der 1873 in Berlin geborene Sohn eines preußischen Offiziers war monarchistisch geprägt und „gebarte sich während seiner Forschungsreisen oftmals paternalistisch und autoritär“, heißt es in einer Beschreibung des Instituts. Und weiter: „Er reiste in Begleitung von Helfern und Trägern, verweilte nur relativ kurz an einzelnen Orten, er bediente sich für seine Reisebeschreibungen eines militärischen Vokabulars, und er war während seiner ersten Expeditionen auch bewaffnet.“

Zudem seien seine Schriften „keineswegs frei von Rassismen“. Aber: „Er hatte originelle Ansätze und hatte ein riesiges Interesse an Afrika“, sagt Hardenberg. Und er sei auch progressiv gewesen. Frobenius habe das eurozentrische Verständnis von Weltgeschichte kritisiert, er habe Afrika als einen historisch wertvollen Kontinent gesehen, was im Gegensatz zur Auffassung seiner Zeit gestanden habe, die Gesellschaften ohne schriftliche Quellen als geschichtslos betrachtete.

Künstlerinnen malten Felszeichnungen lebensgroß ab

Frobenius war gelernter Kaufmann, hatte sich an den Universitäten Leipzig und Freiburg eingeschrieben, machte aber nie einen akademischen Abschluss, auch seine Dissertationen wurden abgelehnt. Doch seine frühen Werke, etwa „Der Ursprung der afrikanischen Kulturen“, sind laut Hardenberg von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung der Ethnologie gewesen.

Der Grundstein für das Institut wurde 1898 gelegt, als Frobenius 1898 das Afrika-Archiv mit Expeditionsberichten, Karten, Bilddokumenten und Vokabularien einrichtete. 1904 reiste er das erste Mal nach Afrika, bis 1915 folgten sechs weitere Reisen auf den Kontinent. „Er hat vieles finanziert, indem er Objekte sammelte, die er an Museen in Deutschland verkauft hat“, sagt Hardenberg. Als guter Geschäftsmann habe er auch gewusst, wie man sich finanzielle Unterstützung von Firmen und Stiftungen sichere.

Zudem nahm er von 1912 an Kontakt mit Kaiser Wilhelm II. auf, der ihm weitere Reisen finanzierte. Frobenius begann, Felsbilder zu erforschen, dies wurde zum Schwerpunkt seiner Arbeit und hat ihn bis zu seinem Tod im Jahr 1938 beschäftigt. Mit Malern reiste er nach Afrika, vor allem Frauen zeichneten die Bilder in gleicher Größe von den Felsen ab. Die Technik wurde bis in die Sechzigerjahre angewendet, mehr als 8600 gezeichnete und gemalte Felsbildkopien lagern heute im Archiv des Instituts.

Dessen Geschichte in Frankfurt begann am 16. Mai 1925, als Frobenius und die Stadt vertraglich festlegten, dass die Sammlungen am Main eine neue Heimat finden sollen. Frobenius hatte in München 1920 das Forschungsinstitut für Kulturmorphologie gegründet. Nun zog er damit nach Frankfurt, wo man sich offen für den Autodidakten zeigte. 1924 folgte er einer Einladung der Philosophischen Fakultät der 1914 gegründeten Stiftungsuniversität und hielt einen Vortrag. Später hieß es in der Universität, die Gewinnung von Frobenius sei eine „wesentliche Bereicherung des geistigen und wissenschaftlichen Lebens unserer Stadt“. Vom Wintersemester 1924/25 an hielt er Vorlesungen.

Nach 1933 „lavierte Frobenius hin und her“, sagt Hardenberg. Ständig sei er auf der Suche nach Geld gewesen. „Und wenn es um Geld ging, war er bereit, zu kooperieren.“ Aber seine Lehre der Kulturmorphologie passte nicht zum nationalsozialistischen Rassegedanken. „Dass Kulturen durch Rasse bedingt sind, das hat er explizit nicht so gesehen“, sagt Hardenberg.

Als Leiter des Frobenius-Instituts verwaltet er mit seinem Team eines der wichtigsten ethnologischen Archive im deutschsprachigen Raum. Schwerpunkt der Arbeit sei die Forschung, oft zu Themen, die sich aus dem Archiv heraus ergäben. Wichtig sei zudem die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und Institution aus den Herkunftsländern der Objekte. Ein „Austausch auf Augenhöhe“, das sei die Identität des Instituts.

Back to top button