IfW-Präsident Moritz Schularick: „Die Haushaltspolitik ist ein Sicherheitsrisiko für Europa“ | ABC-Z

Bundeswehr kleingespart
Ökonom sieht Haushaltspolitik als “Sicherheitsrisiko für Europa”
28.07.2024, 10:20 Uhr
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Seit dem Fall der Mauer spart Deutschland an den Verteidigungsausgaben. Der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft ermahnt daher die Bundesregierung: Der Wehretat müsse deutlich erhöht werden, um Putin durch “Stärke und Entschlossenheit abzuschrecken”. Es müsse an anderen Stellen gespart werden.
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, hat die Bundesregierung aufgefordert, deutlich mehr Geld für Sicherheit und Verteidigung auszugeben. Zugleich kritisierte er den Haushaltskompromiss der Ampel. “Die Bundesregierung macht derzeit keine vernünftige Haushaltspolitik für das, was das Land braucht”, sagte Schularick T-Online. “Viel mehr noch: Die Haushaltspolitik ist und bleibt ein Sicherheitsrisiko für Europa.”
Ein künftiges Sondervermögen für die Bundeswehr müsse “deutlich größer als das aktuelle mit seinem Umfang von 100 Milliarden Euro” sein, so der Ökonom weiter. “Allein um in den nächsten zehn Jahren die Lücke im Haushalt zu schließen, reden wir wahrscheinlich über ein Volumen von 250 bis 300 Milliarden Euro.”
Und auch dann sei klar: “Selbst mit all diesen Mehrausgaben würde Deutschland prozentual noch immer weniger fürs Militär ausgeben als Länder wie Polen, Norwegen oder die USA, die ihre Investitionen in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht im gleichen Umfang haben schleifen lassen.” Insgesamt bräuchte es schon jetzt Ausgaben in Höhe von 3 bis 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, um Putins Russland durch “Stärke und Entschlossenheit abzuschrecken”.
“Verteidigungsfähigkeit deutlich gesunken”
Dem IfW-Präsidenten zufolge führe mittelfristig kein Weg daran vorbei, den Bürgern deutlich zu machen: “Seit dem Fall der Berliner Mauer haben wir eine große Friedensdividende eingestrichen – die ist jetzt futsch, das Geld haben wir anderweitig verbraucht. Gleichzeitig ist unsere Verteidigungsfähigkeit deutlich gesunken. Jetzt ist die Zeit gekommen, an anderen Stellen zu sparen. Wir können uns nicht mehr alles leisten.”
Zuvor hatte Schularick bereits in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” geschrieben, dass es in wirtschaftlicher Hinsicht “keinen Zweifel daran gebe, dass Europa die Ukraine aus eigener Kraft ausreichend unterstützen könnte. Das Bruttoinlandsprodukt der EU ist siebenmal, die industrielle Wertschöpfung fünfmal höher als in Russland”, so der Ökonom. Dabei warnte er: “Ein russischer Sieg in der Ukraine würde nicht nur die Glaubwürdigkeit des Westens in der Welt irreparabel beschädigen und die Freiheit Europas unmittelbar bedrohen. Ein russischer Sieg würde die aktuellen finanzpolitischen Debatten zur Makulatur machen, weil die Konsequenzen um ein Vielfaches teurer wären.”