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1. FC Nürnberg: Spektakulärster Transfertag in der Geschichte des Vereins – Sport | ABC-Z

Das Gespräch dauert nun schon fast eine Stunde, da ist Olaf Rebbe auf einmal gedanklich im Januar 2014. Nur für einen Moment zwar, aber dieser Tag vor rund elf Jahren ist das Erste, was dem Sportdirektor des 1. FC Nürnberg in den Sinn kommt, wenn man ihn fragt, ob er schon einmal einen solch turbulenten Transfertag erlebt habe.

Rebbe lächelt. Er habe schon viel mitgemacht, sagt der 46-Jährige, bevor er die Geschichte erzählt. Er arbeitete damals noch für den VfL Wolfsburg und wollte einen gewissen Kevin De Bruyne verpflichten. In den Verhandlungen mit dem FC Chelsea sei es nur noch um ein paar Prozent gegangen, doch die Gespräche zogen und zogen sich. Am Ende, das ist die Pointe, ging alles gut. De Bruyne kam nach Wolfsburg, gewann mit dem VfL den DFB-Pokal und trumpfte derart auf, dass er sich für den ganz großen Fußball empfahl.

Elf Jahre später hatte es Rebbe zwar nicht mit dem FC Chelsea zu tun, allerdings mit einem anderen Klub aus der Premier League: Brighton & Hove Albion, den Verein des deutschen Trainers Fabian Hürzeler. Aber der Reihe nach.

Gemeinsam mit Sportvorstand Joti Chatzialexiou verpflichtete Rebbe den bislang nur ausgeliehenen Stürmer Stefanos Tzimas fest von PAOK Saloniki, überwies den Griechen dafür 18 Millionen Euro und reichte Tzimas umgehend für 25 Millionen Euro nach Brighton weiter – vereinbarte mit den Engländern aber eine Leihe bis Saisonende. Tzimas, 19, wird die Saison also in Nürnberg zu Ende spielen, die Vereinbarung seines Wechsels steht aber im Zentrum des spektakulärsten Transfertags, den der Club je erlebt hat. 18 Millionen, 25 Millionen: Es sind schwindelerregende Zahlen, mit denen Rebbe und Chatzialexiou auf den letzten Metern der Winterwechselperiode hantiert haben.

Finn Jeltsch geht für rund zehn Millionen nach Stuttgart

Am nächsten Vormittag, es ist Dienstag, sitzt Rebbe in einem Besprechungsraum im ersten Stock der Geschäftsstelle und legt das linke Bein über das rechte. An seiner Seite sitzt Chatzialexiou. Die vergangenen Tage haben die beiden ziemlich beansprucht, aber das sieht man ihnen nicht an. Eigentlich wollten sie schon am Wochenende alle Fragen beantwortet haben, doch ein Vorstoß des VfB Stuttgart, ob Finn Jeltsch unter Umständen noch zu haben wäre, ließ dann eine Dynamik aufkommen, die in einen atemlosen Tag mündete: Jeltsch zog es für knapp zehn Millionen Euro nach Stuttgart, Tzimas ging und kam wieder, Fabio Gruber wechselte aus Verl zum Club, Eryk Grzywacz aus Wolfsburg und Janis Antiste aus Sassuolo.

Jetzt, am ersten Tag nach der Transferperiode, muss man sich Rebbe und Chatzialexiou nicht mit tiefen Augenringen vorstellen – allerdings auch nicht mit prallen Geldkoffern. „Wir haben den Tank zwar vollgemacht, aber der Tank hat nach wie vor ein Leck“, sagt Chatzialexiou und meint: Der Verein hat in den vergangenen Tagen zwar eine Menge Geld eingenommen, muss es aber einsetzen, um erst einmal wieder auf die Beine zu kommen. „Es geht darum, wirtschaftlich zu gesunden“, erklärt Chatzialexiou, „wir haben uns in manchen Bereichen immer noch in Richtung erste Liga orientiert, aber seit Jahren nicht mehr erste Liga gespielt.“

Zu hohe Ausgaben, Misserfolge auf dem Rasen, sinkende TV-Einnahmen: So geriet der Club in eine Schieflage, die Transfererlöse erforderte. Diese hat Nürnberg nun erzielt – allerdings nicht in jener Größenordnung, die man auf den ersten Blick vermuten könnte. Etwa bei Tzimas, bei dem es mehrere Zusatzvereinbarungen und Fußnoten gibt. Dem Vernehmen nach bleibt dem FCN rund die Hälfte der sieben Millionen Euro, die zwischen den Überweisungen nach Thessaloniki und den Einnahmen aus Brighton liegen. Auch das ist noch eine beträchtliche Summe für einen Zweitligisten. Aufgrund der angespannten Finanzlage kann Nürnberg aber trotzdem keine allzu großen Sprünge machen.

Finn Jeltsch spielt ab sofort für den VfB Stuttgart. (Foto: Harald Bremes/Jan Huebner/Imago)

Das gilt auch sportlich, schließlich ist mit Jeltsch schon jetzt ein hoffnungsvolles Talent gegangen, und Jens Castrop zieht es im Sommer für angeblich rund 4,5 Millionen Euro zu Borussia Mönchengladbach, während sich Tzimas in Brighton seinen Traum von der Premier League erfüllt. So stecken die Nürnberger in gewisser Weise in einem Teufelskreis: Um Spieler wie Jeltsch, Castrop oder Tzimas zu halten, müssen sie in der Bundesliga spielen. Um aber in die Bundesliga aufzusteigen, brauchen sie Spieler wie Jeltsch, Castrop oder Tzimas. Das ist das Dilemma.

Wie kann es also gelingen, selbst eine Mannschaft aufzubauen und nicht bloß eine Anlaufstelle zu sein für größere Klubs, die wissen, dass sich am Valznerweiher die Talente tummeln? Die jüngsten Transfers seien bereits ein Schritt auf dem Weg dorthin, erklärt Rebbe. Durch die Einnahmen werde der Verein schon jetzt nicht mehr genötigt, Spieler beim erstbesten Angebot ziehen zu lassen.

Der Club hat sich also etwas Winterspeck zugelegt und wird auch in den nächsten Transferperioden noch davon profitieren. Dass in den kommenden Monaten weitere Angebote auf seinem Schreibtisch landen werden, ist Rebbe klar. Nürnberg hat sich den Ruf erarbeitet, eine exzellente Adresse für junge Spieler zu sein. „Eigentlich“, sagt Rebbe, „dauert es länger, so ein Image zu kreieren, aber wir merken es jetzt schon, wenn wir mit Spielern und Klubs sprechen.“ Und so könnte es bald die nächsten Spieler der Kategorie Jeltsch, Castrop und Tzimas geben.

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